Prüfening, Kloster St. Georg (Virgo Ecclesia)
Die ehemalige Benediktinerabtei in Prüfening westlich von Regensburg wurde 1109 von Bischof Otto von Bamberg gegründet, besiedelt mit Mönchen aus Hirsau, unter denen Abt Erminold (+ 1121) herausragt und als Seliger verehrt wird (Erminold-Hochgrab von 1283; Gedenktag: 6. Januar). Die romanische Klosterkirche St. Georg (dreischiffige Pfeilerbasilika in Quaderbauweise) wurde 1119 geweiht und ist baulich weitgehend erhalten; sie weist originale Wandmalereien aus den 1120er Jahren auf, darunter eine thronende Virgo Ecclesia in der Chorjoch-Wölbung. Die Malereien in der Klosterkirche zählen zu den „hervorragendsten Zeugnissen romanischer Bildkunst in Deutschland“ (D. Gerstl), teilweise wurden sie im 19. Jahrhundert überarbeitet und ergänzt. Das Skriptorium von Prüfening übte im Hochmittelalter eine große Ausstrahlung aus – herausragend der auch marianisch produktive Mönch Boto von Prüfening (um 1105-1170).
Das hervorragend erhaltene Gewölbegemälde der Virgo Ecclesia befindet sich in einer Kreisfläche und ist von einem Spruchband umfasst: Virtutum gemmis prelucens virgo perennis / sponsi iuncta thoro sponso conregnat in evo (Die immerwährende Jungfrau erstrahlt durch die Edelsteine ihrer Tugenden, dem Bräutigam verbunden im bräutlichen Lager herrscht sie mit ihm in Ewigkeit). Wie eine byzantinische Herrscherin thront die bekrönte Frauengestalt mit Nimbus in antiken Gewändern und hält mit abgewinkelten Armen eine Siegesfahne mit Kreuz in der rechten, eine kunstvolle Herrschaftskugel (Sphaira) in der linken Hand – die Ecclesia übt die Herrschaft des auferstandenen Siegers Jesus Christus aus. Hinter der Gestalt befindet sich eine große gelbe Scheibe, die sich von einem blauen Hintergrund (Ring) abhebt und als Sonne vor dem Firmament gedeutet werden kann, was eine Kontextualisierung der Frauengestalt nach Offb 12,1 (Mulier amicta sole) darstellen würde; das große Rundgemälde wird von den vier apokalyptischen Wesen flankiert.
J. A. Endres hält die Frauengestalt im Chorjoch von St. Georg fraglos für Maria, das „Urbild der Kirche“ (Ambrosius). Das ausgeprägte Braut-Motiv findet sich theologisch im frühen zwölften Jahrhundert bei Rupert von Deutz, der in seinem Hohelied-Kommentar sogar vorgängig in der Braut Maria sehen kann, aber auch die Identifikation mit der Kirche durchführt; ganz ähnlich verfährt Honorius Augustodunensis – der irische Mönch lebte ab 1103 einige Jahre als Inkluse im Regensburger Schottenkloster Weih-St. Peter und verfasste zwei Kommentare zum Hohelied. Der „Hortus Deliciarum“, den die Äbtissin Herrad von Hohenburg um 1180 im gleichnamigen Kloster (Elsaß) geschrieben und illuminiert hat, zeigt eine ähnlich hieratische Frauengestalt, die als Ecclesia-Maria zu deuten und ebenfalls nach Offb 12 dargestellt ist.
Aus dem Kloster Prüfening stammte der Benediktinerbruder Innozenz Metz (+ 1724) – er hat das Gnadenbild „Mutter der Schönen Liebe“ (1704) gemalt, das ins Kloster Wessobrunn gelangt ist und dort eine große Ausstrahlung erzielt hat (heute in der Pfarrkirche St. Johann Baptist in Wessobrunn).
Literatur: Karl Bauer, Das Gnadenbild von Wessobrunn – in Regensburg entstanden, in: Ders., Regensburg, Regenstauf 2014, 6. ver. Auflage, S. 844 f.; M. Baumann, Mönche, Künstler und Fürsten. 900 Jahre Gründung Kloster Prüfening (Ausstellungskatalog), Regensburg 2009; J. A. Endres, Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte des mittelalterlichen Regensburg, hg. v. K. Reich, Regensburg 1924 (S. 72 f); Doris Gerstl, Prüfening – Kleinod der Romanik (Klöster in Bayern), in: www.hdbg.eu/kloster/index.php/detail/geschichte?id=KS0320 (Zugriff: 5.3.2023); Günter Lorenz, Kloster Prüfening, Regensburg 2009 (Kirchenführer); Heidrun Stein, Die romanischen Wandmalereien in der Klosterkirche Prüfening, Regensburg 1987 (mit Abb.); Adolfine Treiber, Maria im Bistum Regensburg, Kehl 2000, S. 13; Heidrun Stein-Kecks, Die Klosterkirche Prüfening und ihre Wand- und Deckenmalereien, in: M. Baumann, Mönche, Künstler und Fürsten, Regensburg 2009, S. 53-60 (Abb. der thronenden Braut Christi auf S. 53 u. S. 58; weiterführende Literatur: S. 59).
Autor: Achim Dittrich (6.3.2023)