MARIENLEXIKON

Prag

Marienverehrung in Prag

ML-Artikel „Prag“ von Emil Valasek (Bd. 5, S. 295, St. Ottilien 1993 / Aachen 2009):

Prag hatte bereits im 10. Jh. auf dem Hradschin, dem Sitz der herrschenden Przemysliden, eine Marienkapelle, nach der später im weiteren Verlauf der Geschichte zahlreiche Kirchen der böhmischen Hauptstadt Maria geweiht wurden, wie z.B. St. Maria unter der Kette, St. Maria an der Lake, St. Maria auf dem Wasen (auch St. Maria auf der Säule), St. Maria Schnee, St. Maria Teyn, St. Maria de Victoria und St. Maria Loretto. Eine nach dem 30-jährigen Krieg aus Dankbarkeit für den Frieden errichtete Mariensäule am Altstädter Ring wurde am 3.11.1918 umgestürzt. Die Hauptinitiatoren dieser Kulturschande und Freveltat waren der Schriftsteller Jaroslav Hašek und die »typische Prager Figur« von damals, der Genosse Franta Sauer aus Prag-Zizkov.
In zahlreichen Prager Kirchen findet man verschiedene zur Verehrung aufgestellte Marienbilder, namentlich in den alten Ordenskirchen; so bei den Augustinern in St. Thomas das Bild der »Mutter Gottes vom guten Rat«; bei den Jesuiten ein Bild vom Holz der Eiche von Foy; bei den Kapuzinern ein aus Rottenburg stammendes Marienbildnis; bei den Karmeliten das 1620 in der Schlacht am Weißen Berg (8.11.1620) mitgetragene Bild des Pater Dominikus a Jesu Maria OCD. Zu den wertvollsten Schätzen der St.-Peter-u.-Paul-Basilika auf Wyschehrad (Oberburg) gehört die »Wyschehrader Madonna«, die auch »Regenmadonna« genannt wird, weil die Legende erzählt, daß sie die Gebete um Regen erhöre. Auf dem Weißen Berg bei Prag ist zur Erinnerung an die Schlacht vom 8.11.1620 eine Wallfahrtskirche errichtet worden, deren Umgänge mit den 39 bekanntesten Wallfahrtsorten von damals ausgemalt sind. Den Hauptaltar schmückt eine Kopie des wundertätigen Bildes »Maria de Victoria«, welches in der Schlacht am Weißen Berg den kaiserlichen Truppen vorangetragen wurde: ein kleines spätgotisches Tafelbild der Geburt Christi. Das Original war Besitz der Deutsch-Ordenskommende von Strakonitz, wo es die Soldateska der prot. Union geschändet hatte, indem sie Joseph, Maria und den Hirten die Augen ausstach.

Literatur: O. Schürer, Prag. Kultur-Kunst-Geschichte, 1940, bes. S. 22. 175. 182. 225. 230f. 240. 208f. 384. 395f. – Johanna v. Herzogenberg u. W. Neumeister, Gnadenstätten in Böhmen und Mähren, 1965. — Dies., Prag. Ein Führer, München 1968, S. 89. 94. 126-128. 163. 287f. 322-325. – J. Urzidil u. A. Jaenicke, Prag, Glanz und Mystik einer Stadt, 1966, bes. S. 79 f. — E. Poche, K. Neubert, A. Srch, Prag, 1977, bes. Abb. 29. – J. Kadlec, Přehled církevních dějin českých II, 1987, bes. S. 126-129. — H. Pleticha, Wanderer, kommst du nach Prag, 1988, bes. S. 63-66. 79f. 229-231. – H. Pleticha u. W. Müller, Unvergängliches Prag. Die Goldene Stadt in Geschichte und Gegenwart, 1989, S. 19-28.

Ergänzungen 1: Emil Valasek, Kl. Marienlexikon für die histor. Böhmischen Länder u. die Slowakei, Aachen 2009, S. 120-126 (mit Abb.); = ML-Art. 1993, mit neuerer Literatur: H. Rokyta, Die Böhmischen Länder (Handbuch der Denkmäler u. Gedenkstätten…), Bd. 1: Böhmen, Prag 1997; Bd. 2: Prag 1997. – P. u. Z. Bohác, Poutní místa v Cechách (Wallfahrtsorte in Böhmen), Prag 1995, S. 23-40. – G. u. F. Lanzi, Heilige Orte. Wallfahrten u. Pilgerziele von Jerusalem bis Fatima, Petersberg bei Fulda 2005, S. 108. 200. – J. Bradna / K. Kavicka, Praha. – Mariánsky sloup na Staromestkem namesti, Cirkevní památky, sv. 42 (Prag – Die Mariensäule auf dem Altstädter Ring, kirchl. Monumente, Bd. 42, Welehrad 2008).
J. J. Burian, Der Veitsdom auf der Prager Burg, Prag 1980; Ivan Muchka, Prag: St. Veits-Dom, Metropolitankirche der Prager Erzdiözese (Kl. Kunstführer – Kirchen u. Klöster, Bd. 2160), Regensburg 1994; Jiří Otter, Durch Prag auf den Spuren der Böhmischen Reformation, Prag 2002; J. Kuthan, Katedrala sv. Vita, Vaclava a Vojtecha, svatyne ceskych patronü a kralu, Praha 2011.

Ergänzungen 2 (A. Dittrich, 30.11.2023): Man vgl. auch den ML-Artikel „Böhmen-Mähren-Sudetenschlesien“ (Bd. 1, S. 520-525, E. Valasek) sowie „Böhmische Madonnen“ (Bd. 1, S. 525 f., H. v. Mackowitz) u. „Parler“ (Bd. 5, S. 96-100).
Die Mariensäule auf dem Altstädter Markt ist 2020 wieder aufgerichtet und am 15. August vom Prager Kardinal Dominik Duka geweiht worden – vgl. den Art. https://de.wikipedia.org/wiki/Mariensäule_(Prag).
Das Originalgemälde aus Strakonitz „Maria vom Siege“, das der Karmelit Dominikus von Jesu Maria mit in die Schlacht 1620 getragen hatte, wurde schon 1622 nach Rom überführt, wo es in der dortigen Karmeliterkirche S. Maria della Vittoria im 19. Jh. einem Brand zum Opfer fiel, so dass heute sowohl in Rom als auch in Wien und Prag nur Kopien zu finden sind.
Prag weist in der Altstadt eine Vielzahl von Hausmadonnen und Heiligenfiguren an den Hausfassaden auf (Figuren, Fresken, Reliefs etc.). Auf der Karlsbrücke finden wir folgende Marienfiguren: „Die Madonna u. der hl. Bernhard“ (Matthäus Wenzel Jäckel, 1709); „Die Madonna mit den hll. Dominikus u. Thomas v. Aquin“ (M. W. Jäckel, 1708); Pietà (E. Max, 1859); „Kreuzesszene mit Maria u. Johannes“ (Corpus u. Inschrift H. Hillger, 1696; Assistenzfiguren: E. Max, 1861); „St. Anna Selbdritt“ (M. W. Jäckel, 1707); vgl. Joh. Baronin von Herzogenberg, PRAG, München 1990, S. 172 ff.
1954 hatte das kommunistische Regime alle katholischen Klöster und Kirchen enteignet. Nach 1993 wurden nach teils zähen Verhandlungen viele Gebäude zurückgegeben. Das Kloster „Maria vom Siege“ auf dem Weißen Berg wurde 2007 von deutschen Benediktinerinnen aus München (Venio) wiederbesiedelt, die Karmeliter sind im Kloster „Maria vom Siege“ (Kleinseite), die Prämonstratenser im Kloster Strahov (Mariä Himmelfahrt), die Jesuiten in St. Ignatius (Neustadt). Auch die Dominikaner und Salesianer sind wieder präsent, ebenso die „Sisters of Mercy“ (Mutter-Teresa-Schwestern). Der Veitsdom kann wieder als Bischofskirche genutzt werden, das Erzbischöfliche Palais wurde zurückgegeben. Die alte Johanniter-Kirche „St. Maria unter der Kette“ (Kleinseite) wird vom Malteser-Orden genutzt. Zu nennen ist auch die ehem. Franziskaner-Kirche „Maria Schnee“ (Neustadt, Wenzelsplatz) sowie die gotische Kirche „St. Maria auf dem Rasen“ (Neustadt), die eine orthodoxe Gemeinde beherbergt. Am markantesten erscheint in Prag wohl als Marien-Kirche die der „Jungfrau vor dem Teyn“ geweihte, zweitürmige Kirche am Altstädter Markt mit der wiedererrichteten Mariensäule. Zu den weiteren Prager Kirchen mit Marienpatrozinium – vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchen_in_Prag.