MARIENLEXIKON

Mariaort, Wallfahrtsort (Oberpfalz)

„Mariaort“ heißt ein kleines Dorf westlich von Regensburg am Nordufer der Donau gelegen, an der linken Seite der hier einmündenden Naab (politische Gemeinde Pettendorf, Pfarrei Eilsbrunn). Seinen Namen hat das Dorf von der „Landnase“ (mittelhochdeutsch: „Ort“) auf der gegenüberliegenden Seite beim heutigen Zusammenfluss der beiden Flüsse – dort befindet sich der Wallfahrtsort „Unsere Liebe Frau von Mariaort“ (mit seinen beiden Kirchen und dem Mesnerhaus politisch zu Sinzing gehörend). Seit 1977 verbindet eine Fußgängerbrücke die beiden Naab-Ufer. Die heutige „Naabspitz“ existiert erst seit 120 Jahren, in früheren Jahrhunderten mündete die Naab weiter nordöstlich in die Donau. Seit 1872 gibt es die Mariaorter Eisenbahnbrücke über die Donau, die im Zweiten Weltkrieg (17.4.1945) bombardiert wurde, wobei auch die Wallfahrtsgebäude zu Schaden kamen; 1947-52 wurden sie wieder hergestellt. Die Bevölkerung von Mariaort betrieb seit dem Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vorwiegend Weinbau an den Südhängen zur Naab und Donau hin, heute dominiert der Gemüseanbau.

Die Wallfahrtslegende von Mariaort (F. J. Brems, 1992, S. 239).

„Ähnlich wie in Bogenberg gibt es auch hier eine ‚Stromlegende‘. In der Zeit des Bildersturms hat der byzantinische Kaiser Leo IV. (775-780) angeordnet, alle religiösen Darstellungen zu vernichten. So wurde auch ein Marienbild ins Schwarze Meer geworfen. Die Statue versank aber nicht, sondern schwamm, auf einer Wacholderstaude aufrecht stehend, die Donau aufwärts, bis sie an der Mündung der Naab anlandete. Die Bewohner der nahen Ortschaft beschlossen, für das Bildnis eine Kapelle zu errichten. Aber das Baumaterial wurde auf wunderbare Weise über Nacht auf dem jenseitigen Ufer der Naab, wo heute die Kirche steht, angeschwemmt. So wurde das kleine Heiligtum hier gebaut und an der Ostseite ein kleiner Erker angefügt, auf dem der Wacholderstrauch heute noch grünt“.

„Zu Ort“ werden 1020 Klostergüter von St. Emmeram (Regensburg) erwähnt, 1192 auch eine Kirche, die 1352 als Marienkirche genannt wird. Eine eigentliche Marienwallfahrt dürfte erst im 15. Jahrhundert entstanden sein – wie das gotische Gnadenbild mit dem orientalischen Bildersturm in Verbindung gesetzt worden ist, bleibt ungeklärt und seltsam; der erste schriftliche Niederschlag der Stromlegende von Mariaort stammt aus dem Jahr 1743.
Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg (1503-05) mit seinen starken Verheerungen in der Region blieb Mariaort politisch beim Herzogtum Bayern und wurde Grenzort mit Zollstätte zum südlichen Amt Burglengenfeld (Pfalz-Neuburg). 1510 verliehen in Regensburg weilende Kardinäle mehrere Ablässe; 1517 wurde auf Betreiben des Abtes Ambros von St. Emmeram eine Allerseelen-Bruderschaft gegründet. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Mariaort verwüstet, doch ab dem 17. Jahrhundert etablierte sich die Wallfahrt wieder und erlebte bis Ende des 18. Jahrhunderts ihre große Blütezeit. Die Regensburger Bischöfe Albert IV. von Törring (1578-1649) und Weihbischof Ernst Graf von Wartenberg (1635-1715) förderten die Erneuerung der Wallfahrt; Weihbischof von Wartenberg setzte an Pfingsten 1699 Reliquien in einen neuen Hochaltar ein. Es sind in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr viele Stifts- und Wallfahrtsmessen bezeugt.
1724/25 wurde die Kalvarienbergkirche Heilig Kreuz errichtet, in Nachbarschaft der Wallfahrtskirche, auf der Anhöhe (heute unterhalb der Bahnlinie). Es handelt sich um eine polygon geschlossene Halle mit vier Fensterachsen sowie einer Spiegeldecke mit Wandpfeilern auf hohen Sockeln. Nach dem Vorbild der Heiligen Stiege in Rom (Scala santa, bei der Lateranbasilika) weist diese Passionskirche im Innern eine dreifache Treppe mit vier imposant theatralischen Engeln auf. Zwischen den Treppenläufen führen zwei Gänge zum Hl. Grab, das ebenerdig als Krypta unter dem erhöhten Altarraum und einer großen Kreuzigungsgruppe (drei Kreuze: Jesus u. die beiden Schächer; Assistenzfiguren: Maria u. Johannes) angelegt ist. Der Kreuzweg ist in großen Ölgemälden an der Wänden der Kalvarienkirche illustriert. Diese Kirche ist heute leider von einem Wäldchen verdeckt und wird nur sonntags einige Stunden geöffnet.
In den Jahren 1774-76 ließ der für die Wallfahrt zuständige Pfarrer von Eilsbrunn die zu klein gewordene Kirche erweitern: Der Turm auf quadratischem Grundriss wurde erhöht und mit einem oktogonalen Glockenstuhl und welscher Haube versehen. Der spätgotische Chorraum (mit Dreiachtelschluss und Maßwerkfenstern) blieb als Appendix erhalten und dient als Sakristei; an seiner Außenwand befindet sich ein Kragstein (Kanzel) mit der legendären Wacholderstaude. Im Chorgewölbe findet sich ein außergewöhnlicher Schlußstein: eine gotische Madonna hält den Jesusknaben mit auffälliger Haartracht (rötliche, tonartige Fassung).
In spätbarocker Art wurde ein Langhaus samt eingezogenem Chor errichtet. Die weiträumige Saalkirche weist Doppelpilaster als Wandgliederung auf und ein klassizistisch geformtes Gebälk, verbunden mit einem Tonnengewölbe samt Stichkappen. Zwei Seitenaltäre im Schiff zeigen den hl. Sebastian und Josef mit dem Jesuskind, möglicherweise von Simon Sorg geschaffen. Prächtig erscheint auch die Rokoko-Kanzel, auf welcher der Kirchenvater Augustinus thront.
1774 malte der Steiermarker Maler Matthias Schiffer (1744-1827) das Kircheninnere aus, mit jochübergreifenden Bildfeldern, monochrom gemalter Scheinarchitektur sowie Bildkartuschen und Medaillons. Das Bildmotiv im Chor zeigt die Legende des auf der Donau heraufschwimmenden Gnadenbildes, das an der Langhaus-Decke die Himmelfahrt Mariens (Kirchenpatrozinium: 15.8.; zweiter großer Wallfahrtstag: 8.9.). Der Hauptaltar von 1774 zeigt stilistisch den Übergang vom Rokoko zum Klassizismus und präsentiert zentral in einer gedrungenen, frühklassizistisch dekorierten Nische das Gnadenbild, das in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts (nach 1360, süddeutscher Meister) datiert wird. Auf das ursprüngliche Schleiertuch des Kopfes wurde eine Krone gesetzt, ebenso beim Jesuskind. Die gotische Standfigur ist stark vergoldet, das Untergewand in Rot bildet das untere Viertel. Unter der Fassung verbirgt sich Stein als Grundmaterial, die Höhe der Figur beträgt 128 cm. Auffällig ist die Positionierung des Jesuskindes auf dem rechten Arm Mariens sowie das als Kröte gedeutete Tier in den Händen Jesu. Maria hält mit der Linken eine Gewandfalte sowie eine silberne Blüte, die als Lotusblüte gedeutet wird und auf die orientalische Herkunft der Figur verweisen soll (K. Bauer, S. 843). Es existiert ein zweites Gnadenbild, eine Kopie in gefasstem Holz aus dem 18. Jahrhundert. Auf dem Chorbogen befindet sich die lateinische Inschrift: „Dieses Haus wurde zu Ehren der ehrwürdigen Jungfrau und Mutter Maria, der Wundertäterin von Orth errichtet im Jahre 1774“. Das Chor weist barocke Nebenaltäre aus dem 17. Jahrhundert auf, die in die neue Kirche übernommen worden sind. Die Altarblätter zeigen die Anbetung der Könige und die Anbetung der Hirten.

Literatur:
Karl Bauer, Das Gnadenbild von Mariaort, in: Ders., Regensburg – Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte, Regenstauf 2014, 6. veränderte Auflage, hg. von Peter Bauer, S. 841 ff; Franz Josef Brems, Wir sind unterwegs… 500 bayerische Wallfahrtsorte, St. Ottilien 1992, S. 239 f.; Walter Hartinger, Art. „Mariaort“, in: Marienlexikon IV (1992) S. 305 f.; Gustl Motyka, Wallfahrtskirche Mariaort, Mainburg 1987. (Kl. Kirchenführer v. Schnell&Steiner, 3. Aufl.); Gustl Motyka, Wallfahrtskirche Mariaort u. Kirchen der Filialgemeinde Mariaort, Pfarrei Eilsbrunn (Kirchenführer), 1993 (16 S.); H. Utz u. K. Tyroller, Wallfahrten im Bistum Regensburg, 1989, S. 161 f.; Gemeinde Pettendorf (Hg.), Die Gemeinde Pettendorf – Geschichte und Gegenwart, Kallmünz 1991 (331 S.); Georg Dehio, Handbuch der Dt. Kunstdenkmäler. Bayern V: Regensburg und die Oberpfalz, München u. Berlin 2008, S. 313 f.
Artikel bei Wikipedia „Mariaort“ und „Mariä Himmelfahrt (Mariaort)“ – Zugriff: 22.3.2023.

Autor: Achim Dittrich (4.4.2023)