MARIENLEXIKON

Gottesmutter – von Gerhard Ludwig Kardinal Müller

Kontrollierte Version des Art. „Gottesmutter“ von G. L. Müller, ML-Bd. II (1989) S. 684-692; mit neuerer Literatur (2023).

„Gottesmutter“ – Problemanzeige: Zusammen mit dem Titel „Heilige Jungfrau“ ist „Gottesmutter“ der wichtigste Würdetitel für Maria, die Mutter Jesu, den die Kirche kennt. Sachlich entspricht er dem Begriff „Gottesgebärerin“ (Theotókos, Deipara), hebt aber gegenüber der Beschränkung auf den Geburtsakt mehr die bleibende personale Relation Marias zu Jesus hervor. Der aus der Profangräzität seit dem 2. Jh. nach Christus bekannte Terminus »Theotókos« (Lidell/Scott, Lex.9, Suppl.) wird mit Sicherheit erstmals von Bischof Alexander v. Alexandrien (312-328) in einem offiz. Zirkularschreiben an mehrere Bischöfe im Jahr 322 als ein christol. Terminus technicus bezeugt (Theodoret v. Cyrus, hist. eccl. 1,4,1/61: GCS 20,15). Darin wird das Glaubensbekenntnis der Alexandrinischen Kirche dargelegt, das mit der apost. Tradition übereinstimme. Der christl. Gebrauch dieses Wortes reicht also zeitlich weiter zurück. Die gegen Arius gerichtete Synode von Antiochien (324/25) zitiert das Alexandrinische Symbolum und hebt die christol. Sinnspitze hervor: »Der Sohn Gottes, der Logos, ist aus der Theotókos Maria geboren und Fleisch geworden« (L. Abramowski, Die Synode von Antiochien 324/25 u. ihr Symbol, In: ZKG 86 [1975] 356-366, hier 357). Der spezifisch christol. Gebrauch von Theotókos hebt sich sachlich u. terminologisch von den römischen, griechischen u. ägyptischen Mythologien ab, die von einem ganz anderen Hintergrund her von Muttergöttinnen oder Göttermüttern sprechen und dies mit Mater theon wiedergeben (vgl. Epiphanias v. Salamis, Panarion III, haer. 79: GCS 37,475-485). Erst durch die Auseinandersetzung des -> Cyrill v. Alexandrien mit Nestorius wurde der Titel auch im Westen bekannt. -> Johannes Cassian übersetzt ihn in seiner Schrift »De incarnatione Domini contra Nestorium« (CSEL 17,247,3; 249,22) mit Genitrix Dei oder Mater Dei. Die Aufnahme der Mutter-Konnotation im Theotókos-Titel hat ihren Bezug nicht in den mythol. Göttermüttern, sondern im bibl. Sprachgebrauch, wo von der Mutter Jesu (Mt 2,11.13; 12,46.48f.; 13,55; Mk 6,3; Lk 1,60; 2,34f. 48.51; Apg 1,14; Joh 2,1.3.12; 6,42; 19,25-27) und der Mutter des Kyrios (Lk 1,43) die Rede ist. Eben dieser Jesus, der durch das Wirken des Geistes Gottes als Mensch in Maria gezeugt u. empfangen wird, ist der wesensgleiche Logos Gottes, der die menschliche Natur annahm, die von Maria geboren wurde (Deus natus) und der am Kreuz wahrhaft gelitten hat (Deus passus). Da Maria die Mutter Jesu ist, des wahrhaftigen ewigen Sohnes Gottes, darum hat sie auch den Gott-Logos zur Welt gebracht, und darum ist die Theotokos auch die Mater Dei. Oder umgekehrt gesagt: Weil der Herr Jesus wirklicher Gott ist, darum muss auch die Mater domini im wahren Sinn Mater Dei genannt werden. Damit ergibt sich der Sinn dieses Begriffes aus der Analyse seiner Bestandteile: nämlich der Tätigkeit des Gebärens (tíkto) und dem Subjekt (theos), Jesus = Kyrios = Theos ist. Seit der Zurückweisung des Monophysitismus wird im Osten der Titel »Mater Theou« gegenüber »Theotokos« gebräuchlicher, um dadurch die umfassende personale Relation Mariens zum Gottmenschen zu verdeutlichen.

Der christol. Horizont des GM-Titels: Wichtiger noch als diese terminolog. Beobachtung ist die gegenüber der rel. Ideenwelt des antiken Heidentums völlig inkommensurable christol. Sachthematik. Der Theotókos-Titel erwuchs nicht aus den psycholog. Gesetzmäßigkeiten der MV, die es zu Beginn der großen christol. Auseinandersetzungen um das Konzil von Nicäa lediglich in ersten Anfängen gab, sondern er entstammt unmittelbar dem Umkreis der christol. Reflexion. Und erst von daher entstand eine aus bibl. Motiven genährte und an die Formen der Märtyrer- u. Heiligenverehrung angelehnte Weise einer praktizierten Marienverehrung.

Die gesamte ur- u. frühchristl. Entwicklung steht unter der Leitfrage: Wer ist Jesus im Bezug zu Jahwe, dem einzigen und wahren Gott, sowie im Bezug zum eschatol.-universalen Heilswillen Gottes allen Menschen gegenüber. Besteht nun aber das Spezifikum des christl. Gottesglaubens, d.h. sein irreduzibles Wesen in der Tatsache, dass der eine Gott, als Ursprung und Ziel der gesamten Schöpfung von Welt und Mensch, seine innere Selbstaussage (seinen Logos) in der vom Logos angenommenen menschlichen Natur Jesu in der Welt vergegenwärtigt hat (so wie ein Vater in seinem Sohn gegenwärtig ist), dann ergeben sich für die Gotteslehre und Christologie insgesamt drei Hauptprobleme: Es muss zum ersten die wahre Gottheit Jesu gewahrt, ferner seine wahre und volle Menschheit, wie dann auch zum dritten das Einigungsprinzip beider bedacht werden, das in der Hypostase des göttl. Logos selbst gegeben ist. Wo die Inkarnation des Logos und die sie voraussetzende hypostatische Union als das Zentralproblem des heilsgeschichtlich sich auslegenden Gottesglaubens erfasst werden, ist die Thematisierung der Rolle Mariens für die Explikation der Christologie unabweisbar. Eine rein adoptianische Christologie oder die Sicht Jesu als eines bloß prophetischen Gottesmannes wird keine Mariologie hervorbringen, abgesehen vielleicht von einer idealtypischen Veranschaulichung eines allgemeinpsychologischen Mutter-Kind-Bezugs. Dogmengeschichtlich war es also kein Zufall, dass der Streit um das Recht des Theotokos-Titels zeitlich und sachlich aufs engste mit der Auseinandersetzung um die Homoousie des Logos und seine hypostatische Union mit der Menschennatur Jesu verbunden war.

Biblische Voraussetzungen: Rein zahlenmäßig sind die bibl. Aussagen zur Bedeutung Marias für die Explikation der Christologie gering, dafür aber der Sache nach von erheblichem Gewicht. Paulus sieht die Fülle der Heilszeit gekennzeichnet durch die Sendung des Sohnes Gottes in die Welt, damit wir als die Brüder und Schwestern Jesu an seinem Sohnesverhältnis zum Vater auf Grund der Gnade des Hl. Geistes teilnehmen. Der Sohn hat seine menschliche Existenzweise dadurch, dass er aus einer Frau geboren wurde, dem Gesetz unterstellt, damit er die loskaufte, die unter dem Gesetz standen (Gal 4,4). Bei Matthäus erscheint Maria als die Jungfrau, die nicht durch das geschlechtliche Zutun eines Mannes, sondern durch das schöpferisch heilsstiftende u. offenbarende Wirken des Hl. Geistes (Mt 1,18) Jesus empfängt und gebiert, der der Sohn Gottes heißen soll. Dieser ist ein wahrer Mensch (und kein göttlich-menschliches Mischwesen), der aber auf Grund seines unmittelbar von Gott gesetzten Anfangs in einer einzigartigen Sohnesrelation zu Gott als seinem Vater steht (Mt 1,21; 11,25-27). Er ist nicht nur ein von Gott getrennt existierender Bote. Sein Menschsein ist nichts anderes als die geschichtliche Vergegenwärtigung Gottes selbst als das Heil, und darum ist er der Messias (Mt 1,1), der Erlöser des Volkes von seinen Sünden (Mt 1,21), der Immanuel, der Gott-mit-uns (Mt 1,23; 2,4) und der Hirt und König Israels (Mt 2,2.6) oder der Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16). Für Lukas ist es ein unumstößliches Glaubensbekenntnis der Urgemeinde, dass der durch Gottes Hl. Geist aus der Jungfrau Maria ins menschliche Dasein verfügte Jesus der Messias, der Kyrios (Lk 2,11), der Erlöser und damit der Sohn des Höchsten oder der Sohn Gottes ist (Lk 1,26-37). In ihm und in keinem anderen ist das Heil, d.h. Gott selbst, für alle Menschen ohne Ausnahme zu finden (Apg 4,12). Maria ist darum als Jesu Mutter auch die Mutter des Kyrios (Lk 2,11). Vom Hl. Geist erfüllt kann ihre Verwandte Elisabeth ihr entgegenrufen: »Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes« (Lk 1,42). Und wegen ihres Glaubens (Lk 1,45; 11,28) wird Maria von allen Generationen selig gepriesen (Lk 1,48), weil sie die selig zu preisende Frau ist, die in ihrem Leib den Messias, in dem Gottes Reich machtvoll angebrochen ist (Lk 11,20), getragen und an ihrer Brust genährt hat (und damit auch seine wahres Menschsein verbürgt). Bei Johannes begegnet Maria, die Mutter Jesu, am Beginn der Offenbarung seiner göttlichen Herrlichkeit (Joh 2,11) und bei der Vollendung der Offenbarung göttlicher Herrlichkeit in Jesu Kreuzestod (Joh 19,25). Jesus ist dabei der, der von sich sagt, dass er und der Vater eins sind (Joh 10,30) und dass, wer ihn gesehen hat, den Vater gesehen hat (Joh 14,9).

Theologiegeschichtliche Entwicklungen bis zur konziliaren Bekenntnisbildung: Auch die Lehre von der Gottesmutterschaft Marias partizipiert an der lebendigen und geschichtl. Auseinandersetzung um die geistige Realität und Identität des christl. Glaubens. Die christl. Theologie ist mehr als eine literaturwissenschaftliche Interpretation eines vorgegebenen hl. Textes der Bibel. Sie bringt unter den jeweiligen geistes- und kulturgeschichtl. Bedingungen die personale Wirklichkeit Jesu Christi, des Mensch gewordenen Gottessohnes, der für uns gestorben und auferstanden ist, zur Sprache. In ihrem betenden und bekennenden Glauben (Glaubensbekenntnis, Liturgie, Katechese) ist die Kirche mit der heilsgeschichtl. Selbstvergegenwärtigung in seinem Wort verbunden. Dabei sind AT und NT das maßgebende Dokument der konstitutiven Phase der Offenbarungsgeschichte und insofern Bezugspunkt der reflexiven Darlegung und Explikation des Glaubensinhaltes. Auf dieser Basis musste die frühe Theol. im Kampf mit der häretischen Verflachung das Christus-Mysterium auf einer höheren Reflexionsstufe darbieten, um seinen Gehalt unter den gegebenen geistigen Bedingungen festhalten zu können. Zugleich wird der Glaube dadurch in seine eigene Fülle eingeführt und auf dem Weg seiner Geschichte bereichert (vgl. Eph 3,18f.).

Bezug auf die Geburt des ewigen Gottlogos aus der Jungfrau Maria als Sicherung Jesu wahrer Menschheit: Bis zur großen arianischen Krise zu Beginn des 4. Jh.s galt es, die wahre Menschheit Jesu herauszuarbeiten. Gegen Arius hingegen musste seine wahre Gottnatur festgehalten werden und damit auch die Frage der Einheit der beiden Naturen thematisiert werden. Die etwa am Ende des 1. Jh.s sich abzeichnende sog. Adoptionschristologie (-> Adoptianismus), die mit der bibl. Zwei- Stufen-Christol. (vgl. Röm 1,3f.) nicht zu verwechseln ist, muss hier außer Betracht bleiben, da sie mit der Leugnung der Gottheit Christi das Christentum in seiner Essenz aufhebt. Gefährlicher waren indes die gnostischen u. doketischen Christologien (-> Doketismus), da sie die wirkliche Präsenz Gottes in Jesu Menschsein aufhoben bzw. abschwächten. Hingegen hoben die Väter die Entstehung der Menschheit Jesu aus dem Menschen Maria hervor. Der vom Hl. Geist gewirkte Akt der Entstehung des Menschseins Jesu verweist auf seine absolute Herkunft von Gott und seine Einheit mit ihm, so dass Gott selbst das Subjekt des Heilshandelns in Christus ist (vgl. 2 Kor 5,19), während die aus Marias Leib entstandene Menschheit Jesu die Konnaturalität der menschl. Natur Christi verbürgt, insofern Jesus wirklich einen beseelten und leidensfähigen menschl. Leib angenommen hat. Wegen dieses soteriol. Momentes ist die wahre Geburt aus der Jungfrau so bedeutsam (bei der jüd. Polemik gegen die Jungfrauengeburt geht es eigentlich um die Bestreitung der wahren Messianität Jesu [vgl. Justin, Dial. c. Judaeo Tryphone]). Die heftige Polemik der gebildeten Heiden missversteht die jungfräuliche Geburt Jesu als ein beliebiges Naturwunder, ohne überhaupt den christol. Sinn der Aussage zu erreichen (vgl. Origenes, Contra Celsum). Immerhin wird deutlich, dass die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria nicht in einen heidnisch-mythol. Horizont der von Göttern und Menschen gezeugten Heroen einbezogen werden kann. Dabei geht es entweder um die Erhebung von Menschen in die Sphäre der Götter oder um die Erscheinung von Göttern in Menschengestalt. Thema der Christol. ist dagegen die Menschwerdung, d.h. die Selbstvergegenwärtigung des einzigen u. absoluten Gottes in der angenommenen Menschheit Jesu als das Heil des Menschen, ohne seine Gottheit aufzuheben oder die Menschheit Jesu nur als die Bühne oder Attrappe seiner Erscheinung zu missbrauchen.

Für -> Ignatius v. Antiochien ist die wirkliche u. wahrhafte Geburt Gottes als Mensch in unserem Herrn Jesus Christus (vgl. Eph 7,2) durch die Jungfrau Maria ein entscheidendes Kennzeichen des Christentums (vgl. Eph 18,2; 19,1; Sam 1,1-2; Phlm 6,1). -> Irenäus v. Lyon entlarvt die doketischen u. dualistischen Lehren des Markion und der Gnosis (-> Gnostizismus) der Valentianer darin, dass diese alles Mögliche, aber nur nicht die Fleischwerdung des Logos lehren. Sie unterscheiden den leidenslosen Logos- Christus von dem leidensfähigen menschl. Jesus, dem natürlichen Sohn Josephs u. Marias. Andere lassen irrtümlicherweise den Logos durch Maria wie durch einen Kanal hindurchlaufen. Alle aber sperren sich dem Glauben, dass der ewige Logos des Vaters aus Maria wirkliches und leidensfähiges Fleisch angenommen habe (adv. haer. III. 11,3).

Dass die Geburt des Logos »aus« der Jungfrau (die alte Präposition »durch« wird wegen des gnostischen Missverständnisses von nun an vermieden) zu dem festen Glaubensbestand der Kirche gehört, bezeugen -> Klemens v. Alexandrien, -> Origenes, -> Hippolyt v. Rom und -> Tertullian. Für die großen Kirchenväter des 3. und 4. Jh.s steht die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria ohnehin außer Frage. Eine gewisse Problematik konnte durch das Logos-Sarx-Schema entstehen. Gegenüber dem Apollinarismus musste klargestellt werden, dass der göttliche Logos nicht die oberste Stufe der menschl. Seele einnimmt, sondern dass der aus Maria geborene Jesus seinen Leib (Körper) und seine menschl. Seele aus Maria angenommen hat (dass also auch gegen Origenes Jesu menschl. Seele keineswegs präexistiert hat) und dass dieser vollständige Mensch in der Hypostase des ewigen Logos subsistiert, d.h. durch den Akt der Annahme Gottes als Mensch verwirklicht ist. Daraus folgt, dass Maria also die wirkliche Gebärerin des Logos ist, nicht insofern er überhaupt in Gott und als Gott existiert, sondern insofern er in ihr die menschl. Natur angenommen hat und so auch das Subjekt des Geborenwerdens des Menschen Jesus aus Maria ist. Im Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum (-> Glaubensbekenntnis) steht darum Maria als die Bürgin der wirklichen Inkarnation, d.h. der Tatsache, dass der ewige Logos in der angenommenen Menschheit Jesu wirkliche Geschichte vom Geborenwerden bis zum Leiden u. Sterben auf sich genommen hat und selbst das Subjekt dieser Geschichte Jesu ist (DS 150).

Der Bezug auf den Theotókos-Titel als Ausweis der hypostatischen Union: Der Theotókos-Titel bringt ein sich aus der kirchl. Theologie ergebendes Sachproblem konsequent zur Sprache. Es geht keineswegs um eine begrifflichspekulative Rechtfertigung einer (vielleicht aus mythol. Schemata herkünftigen) auf die histor. Gestalt Marias übertragenen archetyp. Disposition. Als Terminus technicus kirchl. Bekenntnissprache begegnet der Titel bei den alexandrinischen Gegnern des -> Arianismus (Petrus v. Alexandrien, Athanasius) und wird im Osten im 4. Jh. Allgemeingut (vgl. das Gebet »Unter deinem Schutz und Schirm«, -> Ephräm der Syrer, -> Cyrill v. Jerusalem, -> Epiphanius v. Salamis). Die antiochen. Theologie (-> Diodor v. Tarsus, Joh. Chrysostomus, Theodor v. Mopsuestia) verwenden ihn nicht bzw. nur zurückhaltend. Auch die westlichen Väter (-> Hieronymus und -> Augustinus) gebrauchen das lat. Äquivalent „Deipara“ (Dei genitrix) nicht. Lediglich -> Ambrosius (Hexameron V, 20,65: PL 14,248; De virg. II, 2,7: PL 16,220) ist hier zu nennen. Jedoch besteht an der Zustimmung zur Sachaussage kein Zweifel, da sie die Lehre von der hypostat. Union annehmen und die daraus folgende Idiomenkommunikation richtig anwenden. Da der Theotokos-Titel nur ein Spezialfall der Idiomenkommunikation ist, kommt der gemeinte Sachverhalt in jeder christol. Konzeption vor, die die Einheit der göttlichen und der menschl. Natur Jesu in der Person des Logos gegeben sieht. Schon Ignatius v. Antiochien lehrt klar den Realgehalt des Theotokos-Gedankens (ohne ihn zu verwenden), wenn er auf die eine Person Jesus Christus die menschlichen und die göttl. Prädikate bezieht (Eph 7,2). Darum heißt es klar: Unser Gott, Jesus, der Christus, wurde von Maria im Schoß getragen nach Gottes Heilsplan aus Davids Samen und doch aus Hl. Geiste; er wurde geboren und getauft, um durch sein Leiden das Wasser zu reinigen (Eph 18,2). Der genaue Sinn präzisierte sich aber erst, als es im Gegenzug zu Arius und Apollinaris v. Laodizea darum ging, die Beziehung Jesu als Gott zu klären. Die Arianer bezeichnen den Logos als Gott in einem uneigentlichen Sinn. Sie akzeptierten den verbreiteten Sprachgebrauch von Maria als Theotokos im Sinne der Gebärerin eines leidensfähigen »geschaffenen« Gottes. Gegenüber der apollinarist. Lehre von der Annahme eines seelenlosen Menschen durch den Logos musste der Hinweis auf Maria die Konsubstantialität der Menschheit Jesu mit unserem Menschsein noch einmal belegen. Auf der Basis der nicänischen Lehre von der Homoousie des Logos-Theos konnte nun aber der wahre Sinn des Theotokos herausgearbeitet werden. Neben -> Basilius dem Großen und -> Gregor v. Nyssa kommt hier -> Gregor v. Nazianz das Hauptverdienst zu. In seiner 3. theol. Rede (PG 36,77) und Epistola 101 (PG 36,181) entwickelt er in völliger gedanklicher Klarheit die Idiomenkommunikation und den Sinn von „Theotokos“: »Wenn jemand die heilige Maria nicht als Gottesgebärerin annimmt, dann ist er von der Gottheit getrennt. Wenn jemand … behauptet, dass zuerst der Mensch Jesus gebildet worden sei und dann der Gott erst subsistierte … wenn jemand zwei Söhne einführt, einen aus Gott, dem Vater, und einen zweiten aus der Mutter, und nicht einen und denselben, der soll aus der Sohnschaft fallen, die den Rechtgläubigen verheißen ist. Es sind nämlich zwei Naturen, Gott und Mensch, … nicht zwei Söhne und nicht zwei Götter …« (PG 36,181). Die menschl. Natur Jesu ist also allein aus Fleisch und Blut Mariens gebildet worden, aber so, dass sie im Prinzip und von Anfang an im göttl. Logos subsistiert. Es ist der Logos, der ewig aus dem Vater seiner Gottheit nach hervorgeht und der in der Zeit als Mensch aus Maria geboren wird. Es gibt daher nicht zwei Söhne Gottes, sondern nur den einen, der ewig als Gott aus dem Vater hervorgeht und zeitlich aus Maria geboren wird als Mensch. In Christus ist der eine und derselbe, der in den zwei versch. Naturen der Gottheit und der Menschheit nach existiert. Die hier gewonnene Position erfuhr auch eine lehramtl. Bestätigung im Lauf der Auseinandersetzungen Cyrills v. Alexandrien mit Nestorius, als das Theotokos zum Prüfstein der Christologie überhaupt wurde. Nestorius ist an der Antiochenischen Trennungschristologie orientiert. An der Vollständigkeit der beiden Naturen Christi besteht hier kein Zweifel. Sie sollen jedoch nicht miteinander vermischt werden. Ihre Verbindung wurde als willensmäßige (moralische) Einheit gesehen und als eine Art Einwohnung Gottes in einem Tempel interpretiert. Theodor v. Mopsuestia verstand Maria als eine „Anthropotokos“ der menschl. Natur Jesu nach, aber auch als „Theotokos“ entsprechend der Beziehung dieses Menschen zu dem ihm innewohnenden Gott (De incarnatione 15: PG 66,992). In ähnlichem Sinn spricht Nestorius von Maria, die als Gebärende nur einen Menschen geboren haben kann. Der Titel „Theotokos“ ist allenfalls gerechtfertigt im Hinblick auf den Gott-Logos, der in dem aus ihr geborenen Menschen wohnt (Nestoriana, ed. E Loofs, Halle 1905, 165-168). Als Kompromiss zwischen dem Anthropotokos, bei dem die Gottheit Christi unterschlagen werden kann und dem Theotokos, das im Sinn eines mythol. Entstehens des Logos seiner Gottheit nach aus Maria missverstanden werden kann, schlägt er sein berühmtes „Christotokos“ vor. Er entgeht dabei aber kaum einer Lehre von den zwei Söhnen. Nestorius erfasste freilich nicht das Zentralproblem der Christologie, dass trotz der wesenhaften Unveränderlichkeit Gottes von einem Werden Gottes selbst in der angenommenen Natur (Geburt, Leiden, Tod, Auferstehung) gesprochen werden muss, soll von einer wirklichen Menschwerdung Gottes zu unserem Heil die Rede sein und Christus nicht nur als ein Gott-tragender Mensch aufgefasst werden, womit die radikale Ankunft Gottes selbst beim Menschen unmöglich wird. Das von Cyrill erneut vorgetragene „Theotokos“ steht darum für die mit der hypostatischen Union gegebene konsequente Anwendung der Idiomenkommunikation. Wenn der ewige Gott-Logos in der Zeit wirklich das Menschsein angenommen hat, dann hat er auch eine wesentliche Eigenschaft der menschl. Natur, nämlich das Geborenwerden, angenommen. Maria hat also nicht einen menschl. Sohn geboren, der vom ewigen Sohn nur adoptiert worden wäre oder mit ihm per modum inhabitationis vereinigt worden ist. Es gibt nur den einen und selben ewigen Sohn Gottes, der seiner Gottnatur nach ewig aus dem Vater geboren wird und eben als dieser ewig aus dem Vater Geborene nun auch aus Maria als Mensch geboren wird. Die Person des ewigen Logos ist aus Maria als Mensch geboren worden. Der einzige Sohn des Vaters ist wirklich darum auch der Sohn Marias, und Maria ist nicht nur die Mutter eines Menschen, den der Logos aufgenommen hat, sondern sie ist die Mutter des Gott-Logos selbst, der die Hypostase der aus ihr bereiteten menschl. Natur darstellt. Und darum erweist sich der Theotokos-Titel als der Ort des Offenbarungseides für jede kirchliche Christologie, die an der wirklichen Selbstmitteilung Gottes in Jesus festhalten will.

Die Aufnahme des Theotókos-Titels in das kirchl. Glaubensbekenntnis: Bedeutsam in dieser Auseinandersetzung sind das Mahnschreiben Papst Coelestins I. an Nestorius, der zum Widerruf aufgefordert wird (ACO 1/2,15); sodann der Brief Cyrills an Nestorius, der auf der Reichssynode von -> Ephesus (431) als kirchl. Lehre angenommen wurde. Bedeutsam sind ebenso die 12 Anathematismen Cyrills (DS 250-263), die ebenfalls allg. Anerkennung fanden (Anathematismus 1: »Wer nicht bekennt, dass der … Emmanuel in Wahrheit Gott und die heilige Jungfrau deshalb Gottesgebärerin ist, weil sie das fleischgewordene, aus Gott entstammte Wort dem Fleische nach geboren hat, der sei ausgeschlossen.«: DS 252; NR 160). Wichtig ist auch die Unionsformel von 433 (DS 272). Nach der weiteren begriffl. Klärung der hypostatischen Union (vgl. den dogm. Brief Leos d. Gr. an Flavian: DS 290-295) formuliert schließlich erstmals ein ökumenisches Konzil, das Konzil von Chalcedon (451), die hypostatische Union mit Hilfe des Theotokos-Titels. Hier wird vom Sohn Gottes gesagt: »Der eine und selbe ist wesensgleich dem Vater der Gottheit nach und wesensgleich auch uns seiner Menschheit nach … Vor aller Zeit wurde er aus dem Vater gezeugt seiner Gottheit nach, in den letzten Tagen aber wurde derselbe für uns und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau, der Gottesgebärerin, der Menschheit nach geboren« (DS 301; NR 178). Seither gehört der Theotokos-Titel zum maßgeblichen Bekenntnis. Wiederholt wurde er vor allem vom 2. Konzil von Konstantinopel (553) im Canon 2 (DS 422) und besonders im Canon 6 (DS 427); von der Lateransynode (649) in den Canones 3 u. 4 (DS 503, 504); vom 11. Konzil von Toledo (675) im Glaubensbekenntnis (DS 533-541). Eine Zusammenfassung der Väterlehre zum Theotokos-Titel bietet Johannes v. Damaskus (De Fide orthodoxa 111,12: PTS 12,133-137).

Auch die Reformation hält (trotz der Kritik an der missverstandenen Gebetsvermittlerschaft Marias und der Heiligen) am Bekenntnis zur GMwürde Marias wie an ihrer immerwährenden Jungfräulichkeit fest, weil die Grundlagen des altkirchl. Christusglaubens (die Homoousie des Logos, hypostatische Union und die Idiomenkommunikation) im Wesentlichen nicht angetastet werden (vgl. CA III: BSLK 54; Schmalk. Art. I. Teil: BSLK 414; Form Concord. Sol. Deel. VIII: BSLK 1024). Erst die Aufgabe der christl. Grundlehren (Trinität Gottes u. Inkarnation) in den religionsfeindlichen Richtungen der Aufklärung sowie in der Religionskritik im 19. Jh. (in Wiederanknüpfung an den Rationalismus der Socinianer des 16. Jh.s) hat den theol. Gehalt des Glaubens an Maria als GM zersetzt und die zahlreichen reduktionistischen Theorien, die auf eine Übernahme mythol. Schemata im frühen Christentum hinauslaufen, eingeleitet.

Die Gottesmutterschaft Mariens als mariologische Grundaussage: Mit den großen Konzilien der Alten Kirche ist insgesamt die Bekenntnisentwicklung zum anstehenden Thema zum Abschluss gekommen. Die Theol. versuchte jedoch, die im Begriff der jungfräulichen GM gegebenen Implikationen freizulegen, um sie für die mariol. Fragerichtung fruchtbar zu machen: Was ist über die Funktion der Verdeutlichung der Christol. hinaus nun über Maria selbst zu sagen?

Die hypostatische Union als Ursprung der Gottesmutterwürde Marias: Die Annahme der menschl. Natur durch das göttliche Wort ist Ursprung und Bezugspunkt aller von Gott verliehenen Gnade. Darum entspringt die einzigartige Würdigung einer geschaffenen Person, Mutter Gottes zu werden, der Inkarnation selbst. Marias GMschaft ist darum Wirkung, jedoch niemals Grund der Inkarnation. Die Gottheit des Sohnes Gottes ist Ursache der GMschaft. Gott setzt sich in seinem inkarnatorischen Willen zur Selbstmitteilung die Annahme der menschl. Natur aus der Hl. Jungfrau als reales Medium voraus. Die menschl. Natur Jesu selbst ist durch die hypostatische Union mit dem Logos substantiell geheiligt. Aber auch die Person, in der der Logos physisch und geistlich (im Glauben) das Menschsein angenommen hat, steht auf Grund der sie heiligenden Gottesnähe in einer persönlichen Gnadenrelation zu ihrem Schöpfer u. Erlöser, die alle andere Kreatur überragt (vgl. z.B. Anselm v. Canterbury, De conceptu virginali, 18: Schmitt II 159; Thomas v. Aquin S. th. III q. 37a 2 ad 2; ebd. q. 27a 5). Diese besondere Heiligungsgnade setzt die Rechtfertigungsgnade und Gotteskindschaft per adoptionem voraus bzw. umfasst sie, insofern im Inkarnationsgeschehen die Person Marias in Existenz und Vollzug von Gott engagiert wird und so ihr Dasein um der Menschwerdung Gottes willen hat, so wie jeder Glaubende seine natürliche Existenz um der Gnade willen von Gott empfangen hat (vgl. Röm 8,29 f.; Eph 1,4). Die Vorherbestimmung zur GMschaft setzt als ein von ihr getragenes Moment und als ihren freien Vollzug die ermöglichende und bedingende Heiligungsgnade im Sinne einer Bewahrung von der Erbschuld (-> UE) voraus und eröffnet so einen engagierten Mitvollzug mit Jesu Schicksal in Leiden, Tod und Auferstehung. Die von Gabriel -> Biel (In III Sent. dist. IV a. 3 DOB III p. 2), Gabriel Vasquez (III Summa theol. disp. XXIII c. 2) und Franz Suarez (III S. th. t. 2,1, sect. 2 n. 6 sq) kontrovers diskutierte Frage, ob Maria sich durch ein meritum de congruo oder ein meritum de condigno die GMwürde verdienen könne, wird man entsprechend dem allg. Grundsatz beantworten und ad acta legen müssen, dass es Verdienste überhaupt nur gibt auf Grund der Gnade (vgl. Thomas v. Aquin S. th. I-II q. 114). Maria wurde durch den freien Entschluss Gottes gewürdigt, Mutter Gottes zu werden. Sie hat auf Grund dieser Erwählung sich in der Glaubenshingabe zur Mutterschaft bereitet und sich dabei der Herausforderung des Mutterseins gestellt und sich auf Grund der Gnade bis zum Kreuz Christi hin bewährt (vgl. Thomas v. Aquin, De verit. q. 29 a. 6; S. th. III q. 2a. 11 ad 3). Die besondere Beziehung des Schöpfers zu dem Geschöpf Maria, die sich auf Grund der hypostatischen Union in der Realität der GMschaft verwirklicht, ist theol. die entscheidende Aussage über Maria, aus der sich alle Explikationen der Mariologie ergeben.

Die Relation der GM zum trinitarischen Gott: Die Inkarnation, die Marias GMwürde begründet, ist das Werk des dreieinigen Gottes. Jedoch wird von Maria nicht der trinitarische Gott geboren, sondern nur der menschgewordene Logos als Sohn Mariens (vgl. 11. Toletanum: DS 535). Daraus folgt, dass die Relation der GM nicht zur allgemeinen (etwa vortrinitarisch gedachten) Wesenheit Gottes gegeben ist, sondern auf Gott gemäß der Verschiedenheit der göttl. Personen in der Ordnung der Relationen hin zu interpretieren ist. Dem Sohn des ewigen Vaters ist Maria Mutter seiner menschl. Natur nach (nicht jedoch seiner göttl. Natur nach). Zum Menschen Jesus hat Maria eine reale Relation: Insofern die Person des Logos das Subjekt der göttlichen Natur ist, besteht vom Logos zu Maria nur eine Relatio rationis, da die reale Relation des Logos zum Vater einem Geschöpf nicht mitteilbar ist und unmittelbar mit seiner Gottheit zusammenfällt. Die Mitteilung einer realen Relation würde eine innere Vergottung des Geschöpfs bedeuten. Nur Maria hat als Geschöpf hingegen eine reale Relation zum trinitarischen Gott als ihrem Schöpfer. Darum ist der Logos als Gott der Schöpfer gleichsam Vater Mariens, hinsichtlich der Inkarnation aber der wahre Sohn Mariens (vgl. 11. Toletanum: DS 536).

Hinsichtlich des Vaters darf Maria als Geschöpf die Tochter Gottes genannt werden (wie übrigens jedes andere personale Geschöpf). Der Vater bewirkt auch ursprünglich die Inkarnation des Sohnes aus Maria. Der Sohn, der ewig aus dem Vater hervorgeht, wird zeitlich, d.h. in der angenommenen Menschennatur aus Maria geboren. Gott der Vater ist das einzige Subjekt, das den ewigen u. zeitlichen Hervorgang des Sohnes trägt. Jesus kann aus diesem Grunde nicht noch einmal einen menschlich-biologischen Vater haben, weil sonst der Logos nicht unmittelbar Subjekt der menschlichen Natur Jesu sein könnte, insofern die menschlich-elterliche Zeugung als eine kreatürliche Instrumentalursache zwischen Gottes Selbstmitteilungswillen, der der unmittelbare Subsistenzgrund der angenommenen menschlichen Natur ist, und den Menschen Jesus, der durch einen vom Logos verschiedenen kreatürlichen Existenzakt bestehen würde, treten müsste und damit das soteriol. Grunddatum der unmittelbaren Gegenwart Gottes selbst in der Menschheit Jesu zerstören würde. Maria als Geschöpf (Tochter Gottes) steht zum Vater in der spezifischen Relation, dass sie die Mutter seines ewigen Wortes in der menschlichen Natur werden darf.

Hinsichtlich des Hl. Geistes ist zu sagen, dass Maria auf ihn bezogen ist, insofern der aus dem Vater und Sohn hervorgehende Geist als ihre gegenseitige Liebe subsistiert und insofern die Inkarnation als Offenbarung der trinitarischen Liebe bewirkt wird. Jedoch ist der Hl. Geist nicht der Vater des Menschen Jesus, weil der Logos, seiner Gottheit und seiner angenommenen Menschheit nach, nur einen Vater hat (vgl. 11. Toletanum: DS 209). Da der Hl. Geist bei der Inkarnation die GMschaft in letzter Tiefe als eine reale Relation Mariens zur Trinität ereignet und er darin die Inkarnation als Geschenk der Liebe aufhellt, darf Maria mit bibl. Bildern auch als Tempel des Hl. Geistes bezeichnet werden (Joh. v. Damaskus, Oratio 1 In Matth 9: PG 96,676; Anselm v. Canterbury, De conceptu virginali 18: Schmitt II,159; Thomas v. Aquin, S. th. II q. 35 a. 5; q. 32 a. 1). In Weiterführung dieses Begriffs wird auch von der geistl. Brautschaft Mariens (-> Braut) in Bezug zum Hl. Geist gesprochen seit dem 13. Jh. (vgl. Leo XIII. Enz. »Divinum illud«: DS 3327; II. Vatikan. Konzil, Dogm. Konstitution »Lumen gentium« Nr. 53, wo allerdings nur von Maria als dem Heiligtum des Hl. Geistes die Rede ist).

Die Relation der GM zu den Jüngern Christi, der Kirche: Die besondere Relation Marias zu Jesus Christus ist auch durch Christi Verhältnis zur erlösten Menschheit mitbestimmt, insofern Christus Ursprung u. Prinzip der Erlösung (Haupt der Kirche) und der heilsrelevanten Verbindung der Glieder der Kirche untereinander ist (Gegenwart Christi als Leib der Kirche). Die Tatsache, dass Maria mittels der Bewahrung vor der Erbschuld und der leiblichen -> Aufnahme der erst- u. vollerlöste Mensch ist, hindert nicht, sondern begründet gerade ihre Mittätigkeit an der Vereinigung der Menschheit mit Gott. Freilich unterstützt Maria dabei nicht die Mittlerschaft Christi, die in der Dimension der Versöhnung auf Grund der hypostatischen Union einzigartig und nicht ergänzungsfähig ist (vgl. Tim 2,5; 1 Joh 2,1 f.; Hebr 7,25). Aber sie hilft wegen der sozialen Verbundenheit der Glieder (im Für- und Miteinander) bei der persönl. Aufnahme u. Umsetzung der alleingenügenden Gnade Christi für die Auferbauung der Kirche, die als Ganze und ihren einzelnen Gliedern Christus, ihrem Haupt, zur Vollendung entgegenwächst (vgl. Eph 13-16). Da jeder dem anderen durch sein eigenes Charisma dient (vgl. 1 Petr 4,10) hat Maria die einzigartige Gnade der GMschaft nicht nur als persönl. Heiligung empfangen, sondern damit sie anderen nützt (vgl. 1 Kor 12,7). Durch die Gnade der GMschaft ist Maria zu einem hervorragenden Glied am ekklesialen Leib Christi geworden, und zwar so, dass sich ihre Mutterschaft nicht nur auf den geschichtl. Jesus bezieht, sondern auch auf Christus, insofern er das Haupt der Kirche ist, und damit auf die Kirche selbst, die aus dem Wirken Jesu als das neue Volk Gottes, Tempel des Hl. Geistes u. als Leib Christi hervorgeht (vgl. Eph 4,16; 5,26). Diese hier angedeuteten Zusammenhänge sind in der Hl. Schrift nicht vollständig zum Ausdruck gebracht. Sie legen sich im Hinblick aber auf die heilsrelevante Wirklichkeit der Gemeinschaft der Heiligen nahe sowie im Hinblick auf den sozialen Charakter der heiligenden Gnade. Dabei erscheint Maria schon bei den frühen Vätern als Typos der Kirche im Sinn der Jungfrau und Mutter. Erstmals im 12. Jh. sind alle diese Gedankenansätze in eine Synthese gebracht worden (vgl. Ps.-Ambrosius: PL 17,876). Das II. Vatikanische Konzil nennt Maria Mutter in der Gnadenökonomie, die mit dem ird. Leben Jesu nicht endet, sondern das Wirken Christi auf die Kirche bis zum Ende der Zeit begleitet. Darum wird Maria mit den Titeln „Fürsprecherin, Beistand, Mittlerin, Helferin“ um ihr Gebet angerufen — freilich in einer anderen Dimension als von der Mittlerschaft Christi gesprochen wird. Denn keine Kreatur kann überhaupt in einer Reihe mit Christus aufgezählt werden. Der Gedanke der geistl. Mutterschaft Mariens ist im Glaubens- u. Gebetsleben der Kirche und der Gläubigen ein wesentliches u. aufbauendes Element (vgl. LG 60-62). Marias GMschaft in Bezug auf die geschichtl. Verwirklichung der Inkarnation ist dabei allerdings konstitutiv (wenn auch von Gottes Selbstmitteilung getragen), während die geistl. Mutterschaft den Mitchristen gegenüber nur eine freie Zugabe in der Realisierung des Heilsweges und für die Gläubigen ein freies Angebot der Hilfe darstellt.

Die Christlichkeit des Theotókos-Gedankens und die Versuche einer religionsgeschichtl. Ableitung: Ist der Theotókos-Titel die konsequente Versprachlichung einer Realität des originären Christentums oder handelt es sich bei dem kath. Marienglauben nur um ein Konglomerat heterogener außerchristl. religiöser Ideen und Praktiken, die sich an der theol. irrelevanten historischen Maria zu einem Mythos verdichtet haben? Die reformierte Kritik an der MV glaubte noch, den Theotokos-Titel als christl. Idee festhalten zu können, während die Anrufung Mariens als Helferin u. Mittlerin der Gebete auf heidnische Einflüsse zurückgeführt werden könne, die Maria zu einer Art »Göttin« gemacht hätten (Luther, Schmalk. Art. 8 II/2: BSLK 424 f.). Der radikale Flügel der Aufklärung und die Religionskritik (D. Hume, K. Marx, L. Feuerbach, S. Freud) sprachen nicht mehr von einem partiellen Synkretismus in der Mariologie, sondern übertrugen das reduktionistische Schema der Erklärung auf die Grundlehren des Christentums überhaupt (Trinität als die christl. Variante eines triadischen Polytheismus, die hypostatische Union als die Uridee einer gottmenschlichen Vereinigung, das ewige Leben als die Hoffnung auf eine Selbstvergöttlichung). Für die religionsgeschichtl. Schule (E. Norden, W. Bousset, E. Brunner-Traut) können die wesentl. Züge des Christentums in Lehre, Kult u. Frömmigkeit auf hellenistische, orientalische u. ägyptische Einflüsse zurückgeführt werden, die sich um den Kern des histor. Jesus (als eines prophetisch-rel. Menschen unbedingten Gottvertrauens) im Laufe der Geschichte angelagert haben. Insbesondere gilt der Marienkult als ein signifikanter Fall des frühchristl. Synkretismus. Zwar sind die vielfältigen Versuche, die dogm. u. spirituelle Mariengestalt auf eine einzelne Göttin zurückzuführen, gescheitert. Dafür aber gilt, dass über gnostische Einflüsse u. allg. heidnische Empfindungsschemata von allen Seiten her der Marienmythos gespeist wurde und die Einzelzüge der Jungfrau, GM, Göttin, Himmelskönigin, Muttergöttin u. Erdmuttergottheit zusammengewachsen sind: Die Jungfrau stamme von der Artemis von -> Ephesus. Desweiteren habe das Bild der -> Athene Alkmene eingewirkt, die Jungfrau und Mutter zugleich war, dann die Göttermutter von den eleusinischen Mysterien her, Demeter als Fruchtbarkeitsgöttin; das Bild Jesu und Marias stamme von dem Bild der Isis mit dem Horusknaben usw. So »ist die Göttin Maria in der Hauptsache eine christliche umbenannte Isis, wobei nur einige der erotischen Züge des Isismythos weggelassen sind.« (C. Schneider, Geistesgeschichte des antiken Christentums I, 1954, 243). Als Beweise werden ikonograph. Parallelen herangezogen, die Verwendung ähnlicher Epitheta, z.B. in den Isis-Hymnen und im -> Akathistos-Hymnus u.ä. Wesentlich gründlicher als die kühne Kombinatorik Schneiders geht E. Lucius vor (Die Anfänge des Heiligenkults in der christl. Kirche, hrsg. von G. Anrich, Tübingen 1904; Reprint 1966). In der Gegenwart ist eine neue positive Bewertung des Mythos zu beobachten (E. Drewermann), wobei entgegen der These einer archetypischen Entwicklung der rel. Inhalte nach dem metaphysischen u. histor. Realitätsgehalt der Glaubensaussagen zu fragen ist.

Die christl. Theologie wird in der Behauptung der Originalität des Theotókos-Prädikates für Maria sich nicht um phänomenologische Details streiten. Gerade auf Grund der menschl. Dimension des christl. Glaubens sind prinzipiell immer sprachliche u. ideelle Bezüge zum rel., phil. u. kulturellen, historischen und gesellschaftlichen Kontext erkennbar, andernfalls das Christentum diametral aus einer ganz anderen Welt auf die Erde verpflanzt sein müsste. Die christl. Theol. muss dabei grundsätzlich hermeneutisch ansetzen, wenn nach der historischen u. ideellen Basis einer solchen Parallelisierung oder genealogischen Ableitung gefragt wird. Sie wird dabei folgendes geltend machen können: Der religionsgeschichtl. Vergleich setzt phänomenologisch an. Er darf nicht von einem apriorischen formalen Religionsbegriff ausgehen und die einzelnen geschichtl. Religionen auf immer gültige, psychisch-mythische Grundmuster reduzieren wollen, die sich nur in versch. kulturellen Gestaltungen (in Lehre und Kult) objektivieren. Das Spezifikum jeder Religion darf nicht a priori überspielt werden. Es ist nicht zu übersehen, dass das Christentum sich gerade nicht als ein Mythos versteht und bewusst nicht im Bezugssystem der Wirklichkeitserfassung des Mythos interpretiert werden will. Es versteht sich als Korrespondenzgestalt zum Wort Gottes. Ob diesem Anspruch u. Selbstverständnis Wahrheit zukommt, kann eine allg. Religionswissenschaft nicht entscheiden.

Die ideelle Integrität des Christentums ist im Auge zu behalten. Der Glaube an den einen Gott als den Schöpfer der Welt macht eine Vergottung eines Geschöpfes schlechthin unmöglich. An der Geschöpflichkeit Mariens bestand in der rechtgläubigen Theol. (wie an allen offiz. Dokumenten kirchl. Selbstdarstellung abzulesen ist) nie ein Zweifel. Eine ganz andere Idee ist die Vorstellung der Vergöttlichung des Menschen durch die Gnade, insofern er personal in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes als Mitliebender hineingenommen wird. Im umfass. Referenzrahmen christl. Aussagen gehört Gott nicht zu einem generischen Wesen der Götternaturen. Die Götter sind im Grunde nur personifizierte ideale Weltgestalten, in denen sich die mit der menschl. Geistnatur gegebene transzendentale Verwiesenheit auf das Geheimnis des Daseins überhaupt ausdrückt. Im Christentum ist Gott vielmehr der Eigenname für das absolute Geheimnis, das sich dem Menschen frei und personal zur Begegnung darbietet. Dabei ist eine Verwischung der Schöpfer-Geschöpf-Differenz ausgeschlossen. Die Begegnung des Geschöpfs mit Gott ist geschichtlich und ereignet sich in der Dimension der Gnade, in der Gott das Geschöpf in seiner Freiheit anspricht und durch die Gabe seiner göttl. Liebe vollendet. In diesem Zusammenhang stehen auch die christol. u. mariol. Aussagen. Konkret ist festzuhalten, dass die mariol. Reflexion sich aus der Christologie und nicht aus einer schon vorweg gegebenen MV mit ihren emotionalen u. affektiven Beziehungen entwickelt hat. Darum steht die Marienfrömmigkeit unter dem krit. Anhalt des Mariendogmas. Dabei muss nicht bestritten werden, dass viele Christen ein mythol. Verhältnis zu Maria und zu Christus oder zu Gott de facto hatten. Dies bedeutet aber nicht, dass das mythische Erleben das kirchl. Bekenntnis erzeugt hätte. Die theol. u. histor. Daten sagen genau das Gegenteil. Wenn Maria aus christol. Interesse den Theotokos-Titel erhält, dann ergibt sich der Sinn aus dem schöpfungstheol., christol. u. soteriol. Zusammenhang. Freilich muss hier der theol. Begriff aus der allgemeinen menschlichen oder der schon reflektierten phil. oder rel. geprägten Sprachwelt übernommen werden.

Ob es überhaupt eine mythologische Grundkategorie mit angeborenen urbildhaften Wirklichkeitserfassungen gibt, muss dahingestellt bleiben. Einem reflektierten Weltzugang stellt sich die Sache wohl so dar: Auf Grund seiner sinnenhaften Welterfahrung gewinnt der Mensch erst seine Kategorien, Vorstellungs- und Handlungsschemata durch eine begriffliche oder durch eine ästhetische Abstraktion. Darum ist unsere Versprachlichung der transzendenten Wirklichkeit (was immer sich einer darunter vorstellt) von der Weltgebundenheit der Sprache abhängig. Gott heißt in vielen Religionen Vater, Herr, König, obwohl wesentlich versch. Inhalte damit verbunden sind. Wenn im Mythos weibl. Götter Kinder gebären oder Frauen als Muttergottheit Inbegriff u. Versinnbildung der Fruchtbarkeit der Erde oder der Geschlechtlichkeit des Menschen sind oder in irgendeinem Sinn die Schönheit des Daseins überhaupt repräsentieren (als Jungfrau, Königin, Herrscherin), dann liegt wegen der prinzipiell versch. Rahmenbedingungen bei Maria ein inkommensurabler Sinngehalt vor. Maria gilt als GM nicht wegen theogamer Vorstellungen und auch nicht als Veranschaulichung einer ästh. Grundkategorie, wenn uns das bibl. Zeugnis von einer Realität berichtet, dass nämlich der Schöpfer aus ihr das Menschsein annehmen will (ohne seine Gottheit zu verlieren oder die menschl. Natur zum Mummenschanz seiner Verkleidung zu machen), um als er selbst im Medium der angenommenen menschlichen Natur als eschatol. Heilsgegenwart unter uns zu sein. Dies schließt aber eine geschlechtl. Zeugung des Menschen Jesu aus, weil ansonsten der Mensch Jesus in einer doppelten Substistenz bestünde und damit eine Selbstmitteilung Gottes unmöglich wäre und das Menschsein Jesu mit Gott letztlich gar nichts zu tun hätte. Mutter Jesu, des Herrn, und des dem Vater wesensgleichen Gottessohnes und damit GM wird Maria genannt, weil Gott selbst aus ihr als Mensch geboren wird. Im Mythos begründet die göttl. Natur der Mutter (bzw. des Begattetwerden einer menschl. Frau durch einen Gott) die irgendwie geartete Göttlichkeit des Kindes. Es geht bei den Königen, Machthabern u. Heroen letztlich um eine Vergötterung eines Menschen. Bei der Inkarnation geht es aber gerade um die Menschwerdung des einen und einzigen Schöpfers und Gottes aller Welt. Der mit dem Titel GM ausgedrückte Sachverhalt drückt also etwas ganz anderes aus als der Mythos und steht in einem inkommensurablen hermeneutischen Bezugsrahmen. Weitere Epitheta Mariens (z.B. Königin der Heiligen, Mittlerin der Gnaden, Mutter der Barmherzigkeit, Schönste der Frauen usw.) stehen auf einer ganz anderen Ebene als die christol. Titel „Gottesmutter“ und „Jungfrau“. Es handelt sich dabei um Bezeichnungen (auch in poetischen Metaphern) ihrer ekklesialen Funktion bezüglich der geschichtl. Weggenossenschaft mit der Jüngergemeinschaft Christi, der Kirche. Diese Titel u. Bezüge haben ihre Basis in den gnadentheol. u. anthropol. Einsichten, insofern Maria wegen ihrer Gnadenfülle die Vollendung des Menschen durch Gott real, aber auch prototypisch darstellt. Im ganzen ist festzustellen: Der theol. Inhalt des Gottesmutter-Gedankens für Maria ergibt sich konsequent aus der Mitte des christl. Glaubens an Gott den Schöpfer von Welt u. Mensch und an seine wahre Menschwerdung in Jesus Christus. Will man die mariol. Aussagen auf eine Entstehung im Mythos reduzieren, dann muss man konsequent die Grundaussagen der Trinität u. Inkarnation selbst auf die Mythologie als dem letzten transzendentalen Ursprung menschl. Geistestätigkeit zurückführen. Aber darüber bedürfte es einer fundamentaleren Auseinandersetzung. Der theol. u. kirchl. präzise festgehaltene Sinn des GM-Titels findet in den antiken Mythen keinen Anhalt und kann aus ihnen heraus keineswegs in seinem Sinn entwickelt u. entfaltet werden. Sprachliche u. kulturelle Anklänge an die hellenistische Welt und an die Sprachwelt des Menschen überhaupt sind selbstverständlich. Das Christentum bewahrt aber im geschichtl. Wandel der Darstellung seine Inhalte, seine Grundidee, solange es die vorgegebenen Philosophien u. kulturellen Ausdrucksformen zum Instrumentarium macht und nicht von ihnen dominiert wird, sondern diese von ihrem Inhalt her sich assimiliert.  G. L. Kardinal Müller

 

Literatur: E. Krebs, Gottesgebärerin, Köln 1931. — G. Söll, Mariologie, In: HDG II/4, passim. — B. Lorenz, Maria Theotokos bei Cyrill v. Alexandrien, München 1981. — A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche I, 21986. — Beinert-Petri (1984) 232-314. — RAC XI 1071-1103. – Nuovo Dizzionario de Mariologia II 806-830. – G. L. Müller, Was heißt: Geboren von der Jungfrau Maria?, In: QD 119 (1989). — L. Scheffczyk, Art. „Theotókos“, in: ML VI (1994)  S. 390 f. — F. Courth, Mariologie, in: Glaubenszugänge II, Paderborn 1995, S. 299-398. – W. Beinert, Die mariolog. Dogmen u. ihre Entfaltung, in: Handbuch der Marienkunde I, Regensburg 1996, S. 267-363. – L. Scheffczyk / A. Ziegenaus, Maria in der Heilsgeschichte – Mariologie (Kath. Dogmatik 5), Aachen 1998. – K.-H. Menke, Fleisch geworden aus Maria, Regensburg 1999. – A. Ziegenaus (Hg.), „Geboren aus der Jungfrau Maria“ – Klarstellungen (Mariolog. Studien 19), Regensburg 2007. – R. Radlbeck-Ossmann, Art. „Gottesmutterschaft Marias“, in:  Neues Lexikon der kath. Dogmatik, Freiburg 2012, S. 299 ff. – G. L. Müller, Mariologie, in: Ders., Kath. Dogmatik, Freiburg 102016, S. 472-508, speziell S. 474, 489-495. – Th. Marschler u. Th. Schärtl (Hg.), Inkarnation (div. Autoren), Münster 2020. – K.-H. Menke, Das histor. Faktum der Inkarnation – Geboren aus der Jungfrau Maria, in: Ders., Inkarnation, Regensburg 2021, S. 49-58. – Zu vergleichen sind auch die dogmengeschichtl. Handbücher u. Monographien zur frühen Christologie.   G.L. Müller / A. Dittrich (8.2.2024)