MARIENLEXIKON

Alexander Hales OFM

Julian Kaup OFM/ Dinko Aracic OFM, Artikel aus ML I, 93 f. (1988)

Alexander von Hales, * um 1185/86 wahrscheinlich zu Hales (= Haies Owen/England), + 21.8.1245 in Paris, Studium in Paris, wo er die Meisterwürde in der Artistenfakultät erlangte. 1210/1215 Studium der Theologie; später längere Zeit Magister regens der Pariser Universität.

Nach der Überlieferung legte er als erster seinen Vorlesungen die Sentenzen des Lombarden zugrunde. 1236 trat er in den Franziskanerorden ein und sicherte diesem damit einen Lehrstuhl an der Pariser Universität. Alexander war einer der bedeutendsten Theologen seiner Zeit und Begründer der älteren Franziskanerschule. Er nahm 1245 am Konzil von Lyon teil.
Kritische Untersuchungen haben zum Ergebnis geführt, dass Alexander nicht mehr als Verfasser der »Summa theologica, seu sic ab origine dicta > Summa Fratris Alexandri <« angesprochen werden darf. Diese vierteilige »Summa« ist vielmehr das Werk mehrerer Autoren und Redaktoren, die seinem Gedankengut entsprechen. Zu seinen authentischen Werken zählt man die »Glossa in quatuor libros sententiarum Petri Lombardi« und eine Reihe von »Quaestiones disputatae > Antequam esset frater <«, die Quellenmaterial der zeitgenössischen Theologie bieten. Diese Schriften befassen sich nur gelegentlich mit mariol. Themen, dann jedoch fast immer im Kontext mit der Inkarnation. Dies gilt auch für die in der »Summa« behandelte Frage nach dem Zeitpunkt und der Beschaffenheit der Heiligung Mariens (cf. Summa theologica IV, nn. 75—84), die Johannes v. Rupella zur Grundlage hat (Prolegomena, 361—65). Zuerst wird nach der Heiligung Marias vor ihrer Empfängnis gefragt, wobei eine Heiligung der Natur und der Person unterschieden wird; letztere erfolgt durch die Gnade, die erste dagegen durch die Glorie. Die Heiligung durch die Gnade in der Taufe ist keine Heiligung der Natur, sondern der Person. Die Konkupiszenz, die hier noch allzu eng mit der augustinischen Theorie über die Erbsünde verbunden erscheint, bleibt als Sünde der Natur auch nach der Taufe bestehen und pflanzt sich in der menschlichen Natur durch Zeugung fort. Darum gibt es keine Zeugung ohne Erbsünde. Maria konnte somit in ihren Eltern nicht geheiligt werden, sondern erbte von ihnen eine sündenbefleckte Natur (Summa IV 112 ab). Maria konnte aber auch nicht geheiligt werden in ihrer Empfängnis vor der Eingießung der Seele. Der von der Geistseele noch nicht belebte Leib kann nicht Träger der Heiligungsgnade sein (IV 113). Marias Heiligung war somit erst nach der Eingießung ihrer Geistseele möglich; sie geschah aber vor der Geburt, und ihre Heiligkeit war größer als die irgendeines anderen (IV 116—117). Bei ihrer ersten Heiligung, deren genauer Zeitpunkt nicht angegeben wird, wurde Maria ihrer Person nach sowohl von der Sünde als auch von der Konkupiszenz (Neigung zum Bösen und Erschwerung des Guten) gänzlich gereinigt (IV 118-119). Diese erste Heiligung Mariens war so groß, dass sie in ihren Wirkungen auch auf andere überstrahlte und deren Leidenschaft dämpfte. Weil aber die erste Heiligung nur ihre Person betraf, war noch eine zweite Heiligung im Augenblick der Empfängnis ihres göttlichen Sohnes nötig, in der auch die Konkupiszenz, insofern sie die Natur als »principium alterius carnis per generationem« infizierte, getilgt wurde (IV 121). Durch diese zweite Heiligung wurde sie die Gnadenvolle. Zugleich wurde in ihr die Fähigkeit zu sündigen aufgehoben und sie im Guten befestigt (IV 124). Außerdem findet man bei A. Thesen zum Glauben Mariens bei der Verkündigung (IV 1090 ab) und in der Passion, wo sie die einzige Vertreterin des Glaubens der Kirche war (IV 1130 ab), ebenso Gedanken zur Vollendung der Gnade (II 726b—727b) und zur Mitwirkung beim Leiden Christi (I 408b, 410a). Die »Glossa« und die »Quaestiones disputatae« berichten sporadisch über die wunderbare Empfängnis (Glossa III 286—289), die jungfräuliche Geburt (I 438—441; II 160; III 46). Mit dem Vater hat Maria denselben Sohn gehabt (III 13. 48. 53), und ihre GMschaft ist im Glauben begründet (III 46. 53. 124—126. 286); dieser Glaube ist der einzige Weg des Heiles (II 192). CF) ist auch Mittlerin der Gnade (II 250; III 42—43), in den Himmel aufgenommen (I 445) und würdig unserer Verehrung (III 108-110). In seiner mariol. Lehre ist Alexander von Kirchenvätern (Augustinus, Joh. Damascenus) und Theologen wie Anselmus und Bernardus beeinflusst.

Ausgaben: Alexandri de Hales, Summa Theologica, seu sic ab origine dicta > Summa Fratris Alexandri < ed. Collegio S. Bonaventura; t. I, pars I, 1924; t. II, pars II—1, 1928; t. Ill, pars II—2, 1930; t. IV, pars III (Vorwort zu Prolegomena), 1948. Indices in 1.1—IV, 1979. — Glossa in quatuor libros Sententiarum Petri Lombardi, Liber I, 1951; Liber II, 1952; Liber III, 1954; Liber IV, 1957. — Quaestiones disputatae > Antequam esset frater <, Liber I, 1960; Liber II, 1960; Liber III, 1961.

Literatur: Prolegomena in Librum III necnon in libr. I et II »Summae Fratris Alexandri«, 1948 (Lit.). — DThC I 772-785. — Bi¬bliographie, In: FrS 5 (1945) 434-454. — H. Borak, Problemata Alexander de Hales »antequam esset frater«, In: Laur. 4 (1963) 120-131. — P. Botte, Alexandri de Hales eminentia doctrinae SS. Trinitatis mysterio, 1965. — J. Bougerol, Alexandre de Halès et la question de fato, in Congrès de la S.I.E.PM., 1982. — I. Brady, The Distinctions of Lombard’s Book of Sentence and Alexander of Hales, In: FrS 25 (1965) 90-116. – I. Fornaro, La teologia dell‘ immagine nella >Glossa< di A. Hales, 1980. — E. Gössmann, Metaphysik und Heilsgeschichte. Eine theologische Untersuchung der Summa Halensis (Mitteilungen des Grabmann-Instituts), 1964. — H. Grän, Die Seelenlehre des Alexander von Hales, 1965 (Lit.). — V. Marcolino, Das AT in der Heilsgeschichte. Untersuchung zum dogm. Verständnis des AT als heilsgeschichtl. Periode nach A. von Hales, 1970. — A. Marino, El >articulus fidei < en Alejandro de Haies, 1978 (Lit.). — G. Philips, La théologie de la grâce, dans la »Summa Fratris Alexandri«, In: EThL 49 (1973) 100-123. — W. Principe, Alexander of Hales‘ Theology of Hypostatic Union, 1967. — B. Saint-Cyr, Une source incon¬nue de la Summa fratris Alexandri, In: Revue des sciences philos. et theol. 47 (1963) 571-605. — W. Steinmüller, Die Naturrechtslehre des Joh. v. Rupella und des A. v. Haies in der »Summa Fratris Alexandri« …, in: FS 41 (1959) 310-422. – H. Ph Weber, Sünde u. Gnade bei A. von Hales: Ein Beitrag zur Entwicklung der theol. Anthropologie im Mittelalter, Innsbruck 2003. – S. Cecchin, La presenza della Vergine Maria nella ‘Glossa in Quatuor libris sententiarum Petri Lombardi’ di Alessandro di Hales, In: Carthaginensia 31 (2015) 773-797. – S. Cecchin, La Vergine Maria in A. di Hales (+ 1245). Un fondamentale apporto alla teologia mariana medievale, In: “Egli manifestò la sua gloria”. Saggi teologici offerti al Prof. José A. Riestra, Marco Vanzini (ed.), Roma 2015, 281-297.

Literaturergänzung: D. Aracic (10.12.2023)