MARIENLEXIKON

Maria Vesperbild (Wallfahrtsort)

Autor: Monsignore Erwin Reichart (Okt. 2024)

Maria Vesperbild, mittelschwäb. Wallfahrtsort westlich von Augsburg, Ortsteil des Marktes Ziemetshausen (Landkreis Günzburg), mit kaum 30 Einwohnern. M. V. zieht jährlich hunderttausende Pilger an.
Im Jahre 1650 stiftete Jakob von Saint Vincent, Herr des nahen Schlosses Seyfriedsberg, das spät-got. Vesperbild für eine Feldkapelle, die am Ort der heutigen Wallfahrtskirche stand. In dieser schweren Zeit nach dem 30jährigen Krieg zog die Darstellung der Schmerzensmutter zunehmend Gläubige an, so dass schon 1673 für eine vergrößerte Kapelle eine Erlaubnis zur Feier der hl. Messe erteilt wurde. 1725/26 wurde unter der Leitung des Edelstetter Stiftsbaumeister Simpert Kramer ein kreuzförmiger Zentralbau errichtet, der wegen Baufälligkeit aber bereits 1754 abgerissen werden musste.
In den Jahren 1754-56 erbaute der Öttingen-Wallersteinische Hofbaumeister Georg Hitzelberger die heutige Wallfahrtskirche im Stil des Rokoko. Die Deckenfresken schuf der Allgäuer Maler Balthasar Riepp. Das Gnadenbild bekam seinen Platz im Hochaltar, der aus der Vorgängerkirche übernommen wurde.
Um 1800 hätten beinahe die kirchenfeindl. Maßnahmen der aufklärerischen österr. Regierung (Ziemetshausen gehörte damals zu Vorderöstereich) und später der bayr. Regierung (ab 1806) der Wallfahrt ein Ende bereitet. Langsam erholte sich der Pilgerort wieder: in den Jahren 1867-69 erhielt die Wallfahrtskirche im Zuge einer Kirchen- renovierung mit Unterstützung der fürstl. Familie Öttingen-Wallerstein eine neue Einrichtung im Stil der Neuromanik.
Schritt für Schritt begann man in der 1. Hälfte des 20. Jh.s die Einrichtung der Kirche zu rebarockisieren, was um 1960 mit der Errichtung neuer Altäre, Beichtstühle u. der Kanzel seinen Höhepunkt fand. Bei der umfass. Kirchenrenovierung 2019-23 wurde der Hochaltar mit flankierenden Pilastern, dem Baldachin samt Öffnung des östl. Oculus-Fensters vollendet.
Die Pietà in Maria Vesperbild stellt ein seltenes eucharist. Gnadenbild dar: Der tote Jesus auf dem Schoß Mariens weist mit seinem Zeigefinger auf den Tabernakel bzw. den Altartisch. Das im 16. Jh. entstandene Schnitzwerk (ungekrönt 1,16 m hoch), ein -> Vesperbild des „treppenförmigen Diagonaltyp“ (vgl. die Figuren von Telgte u. Gegenbach), zeigt Maria mit Tränentüchlein, das sie mit der Linken hoch nach oben hält, als Kontrapunkt der nach unten weisenden Hand Jesu.

Als 1957 eine dankbare Pilgerin nach einem schweren Unfall eine fast lebensgroße Fatima-Madonna stiftete und diese im nahen Wald aufgestellt wurde, entwickelte sich die sog. Grotte zum zweiten Anziehungspunkt der Wallfahrt. In den folgenden Jahrzehnten hat sich das umliegende Gelände mit einem Kreuzweg und versch. „Gebetsoasen“ zu einem „Dom in der Natur“ weiterentwickelt. Am Freialtar finden vor allem an Mariä Himmelfahrt große Gottesdienste statt, zelebriert meist von einem Bischof, mit Tausenden von Gläubigen. Beliebt ist die anschließende Lichterprozession durch den Wald über den Schlossberg.
Nicht zuletzt durch das Engagement der letzten Wallfahrtsdirektoren ist Maria Vesperbild im ganzen deutschen Sprachraum bekannt geworden und hat sich zu einem der großen Wallfahrtsorte entwickelt. Viele Gläubige schätzen es, dass in der Liturgie auf die Verbundenheit mit der Tradition viel Wert gelegt wird. Ein gutes Zeichen dabei ist, dass Maria Vesperbild auch viele fernstehende Christen und Menschen mit Migrations- hintergrund anzieht. E. Reichart (Okt. 2024)

Literatur:
L. Dorn, Die Wallfahrten des Bistums Augsburg, 1983, 111 f. – Dehio-Bayem III: Schwaben (1989), S. 671. — Pur-Magazin (Sonderausgabe), Nr. 14/15 (1989). – A. Bichler, Wallfahrten in Bayern, 1990, 180-183. – Wilhelm Imkamp (Hg.), Die Wallfahrt Maria Vesperbild, Augsburg 1995. — L. Gschwind, Kirchen- u. Wallfahrtsorte im Dekanat Krumbach, 1991, 73-76. — F. J. Brems, Wir sind unterwegs …, 1992, 56 f. — K. Winkler, Die Geschichte von Maria Vesperbild, In: Hoi‘ Garta (1992), Heft 43, S. 4-6; H. 45, 17-19; H. 48, 33 f.; H. 52, 17-19; Heft 66 (März 1994), 8 f. – W. Imkamp, Art. „Vesperbild“, in: ML VI (1994) 623 f. – E. Reichart, Maria Vesperbild, Lindenberg 2023.
„Wallfahrtskalender“, hg. von der Wallfahrtsdirektion (jährlich, seit 1989: Wallfahrts-termine, Informationen u. spirituelle Anregungen).

Links:
https://maria-vesperbild.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Wallfahrtskirche_Maria_Vesperbild