MARIENLEXIKON

Schönenberg bei Ellwangen (Wallfahrtskirche)

Artikel „Schönenberg bei Ellwangen“ (ML VI, 1994, S. 48-50, Horst Schopf)

Pfarr- und Wallfahrtstkirche „Mariä Himmelfahrt“, im Ostalbkreis, Diözese Rottenburg-Stuttgart

1. Kirchengebäude. Weithin ist die äußerlich schlichte Kirche auf dem S. nordöstlich von Ellwangen zu sehen. Zwei reich profilierte wuchtige Westtürme mit Hauben treten nur gering über die Fluchtlinien vor und gehen nach zwei viereckigen Geschossen in achteckige über. Eine Marienstatue krönt die südliche Turmspitze. Kaum vorgezogene Giebel des querschiffartig verbreiterten vierten Jochs ergeben die Kreuzform des Baus. Im südl. Giebel steht eine Madonna auf der Weltkugel. Hinter dem halbrunden Choranbau ragt der laternengekrönte Ostgiebel hervor. Im Innern besitzt der Wandpfeilerraum eine umlaufende Empore, das Steingewölbe ist durch die Attika mit Figurennischen hochgeschoben. Nach innen gezogene Strebepfeiler bilden seitl. Kapellennischen. Das vierte Joch ist etwas größer ausgebaut mit weiter heraustretenden Armen. Die Kapellennischen u. Emporenräume sind mit Quertonnen überwölbt.
Im Westen tragen zwei Freipfeiler die Orgelempore. Den Ostteil des langen u. halbrund abschließenden Chors trennt der Hochaltar ab, hinter dem die lauretan. Gnadenkapelle u. zwei Nebenkapellen eingebaut sind. Den Plan für die 1682/86 errichtete Kirche lieferte M.Thumb; Chr. Thumb hatte die Bauleitung, die 1683 H. Mayer SJ übernahm. Nach dem Brand von 1709 war M. v. Welsch der führende Architekt. Die Kirche gilt als eine der grundlegenden Barockkirchen Süddeutschlands und als ältestes Beispiel des »Vorarlberger Münsterschemas« (Wandpfeilerkirche mit Kapellen u. umlaufenden Emporen und einem Querschiff vor dem Chor oder in der Mitte des Langhauses). Seit 1682 führt ein Lindenweg hinauf zur Kirche, an dem 15 Rosenkranzkapellen (1729/34) stehen, außerdem in zwei Drittel der Berghöhe die Josephs- u. die zur Lourdesgrotte umgestaltete Brunnenkapelle
2. Innenausstattung. Das theol. Programm der Wand- u. Deckenfresken und der Altargemälde verbindet sich mit den Stukkaturen, die den plastischen Raumeindruck steigern. Größere rundbogige Fenster im oberen Geschoß über kleineren ovalen im unteren führen das Licht so, daß der Raum zur Decke hin heller wird.
Der Brand von 1709 vernichtete die Erstausstattung. Von den Stuckmarmoraltären H. M. Weinmanns blieb der Ignatiusaltar erhalten. Das Hochaltarbild J. G. Bergmüllers, eine Geburt Christi, verbrannte ebenso wie die Werke von J. Paulus (Stuck, Beicht- u. Betstühle) und M. Paulus, von dem die Skulpturen der zwölf Apostel, zwei Engel am Hochaltar u. der Gewölbestuck in der Vorhalle übrig blieben. Nach einem Plan von H. Mayer schuf M. Haudt 1684/92 die erste Stuckierung, die in den Nebenkapellen der Gnadenkapelle, der Sakristei u. der Werktagskapelle (früher Sakristei) noch vorhanden ist.
Für die Zweitausstattung nach dem Brand stuckierte M. Paulus 1711 nach Anweisungen M. v. Welschs u. einem Plan von C. M. Pozzi das Gewölbe. Er lieferte auch fast alle Altäre u. die Kanzel. K. Buchmüller schuf die Nebenaltäre (außer Johannes- u. Antoniusaltar) und das Antependium des Hochaltars, J. P. Weinmann die vier Portale im Chorraum u. den Marienaltar in der Werktagskapelle, M. Steidl die meisten Decken- u. Medaillonfresken (1711/12).
Die Deckenfresken bringen ein marian. Programm: über der Orgel den Tempelgang Mariens, über das 3. u. 4. Joch gezogen die Himmelfahrt Mariens, vor dem Chorbogen die Verkündigung auf Leinwand, die herabgelassen werden kann, um in den Dachraum zu gelangen, im Chor Sündenfall u. Verheißung der Erlösung durch Christus, auf der Decke der Ignatiuskapelle die Krönung Mariens. Die Medaillonfresken über den Bogenspitzen am Hauptgewölbe zeigen Bilder zur heilsgeschichtl. Einordnung des Lebens Jesu u. Marias (Vorbilder Marias im AT) und zur Lauretan. Litanei (links: Morgenstern, Arche des Bundes, Baum des Lebens, Quell der Gnaden, Schild der Hoffenden, Hilfe der Christen, Himmelsleiter Jakobs; rechts: Bundeslade, brennender Dornbusch, Spiegel der Gerechtigkeit, Wurzel Jesse, Pforte des Himmels, Zuflucht der Sünder; Ignatiuskapelle: Thron der Weisheit; Chorapsis: verschlossener Garten, geordnetes Kriegsheer, Turm Davids).
Die Fresken an den Gewölbenischen der Galerie stellen Szenen aus dem Leben Jesu u. Marias dar (links: Himmelfahrt Jesu, Geburt Mariens, Hl. Familie in Nazaret, Beschneidung und Namensgebung Jesu, Mariae Lichtmeß, ein Engel erscheint Joseph im Traum, Flucht nach Ägypten; rechts: Geistsendung, Tod Marias, Wiederfindung im Tempel, Anbetung durch die Weisen, Verlobung Mariens, Heimsuchung, Herbergssuche). Die Innenwände der Emporen bemalte E. v. Heimburg 1866/67 mit Bildern zur Entstehungsgeschichte der Wallfahrt: Errichtung des Tannenkreuzes, Bittgang zur Dinkelsbühler Holzkapelle, Grundsteinlegung und Weihe der Steinkapelle.
Nach einem Entwurf von M. v. Welsch führte Kaspar Buchmüller 1711/13 den Hochaltar mit dem Scagliola-Antependium des Gotteslammes von 1714 aus. Das Bild der Himmelfahrt Marias von J. Classens (1715) wird von Advent bis zum 2. Februar gewendet, so daß in dieser Zeit das rückseitige Bild der Geburt Christi A. Beluccis (1719) zu sehen ist. Im Aufsatz schwebt die Geisttaube. M. Paulus schuf die Stuckreliefs von Joseph u. Maria, Joachim u. Anna. Ein Krippenpanorama aus Oberammergau hinter dem Altar zeigt seit 1911 Christi Geburt, den Zug der drei Weisen und die Verkündigung an die Hirten.
Während der Hochaltar den Chor in Höhe u. Breite ausfüllt und den Raum beherrscht, stehen die Nebenaltäre in durch Wandpfeiler geschaffenen kapellenartigen Nischen. Im Chor befinden sich statt offener Kapellen rechts die Sakristei und links seit 1974 die Werktagskapelle (früher Fürstensakristei, darauf Ph.-Jeningen-Kapelle) mit einem Marienaltar, den ein Älabasterrelief einer Madonna (um 1690) schmückt. Die zahlreichen Nebenaltäre weisen auf den Charakter der Kirche als Wallfahrtskirche hin.
3. Gnadenkapelle. Die Gläubigen gehen auf den Schönenberg zur Mariae-Himmelfahrts-Kirche und zum hl. Haus von Nazaret. Der Kirchenraum nimmt die Versammelten für große Gottesdienste auf; für Wallfahrtsgottesdienste im Freien dient ein Feldaltar am Westhang. Die Gnadenkapelle hinter dem Hochaltar mit den Maßen des Hauses von Loreto bietet Einzelbesuchern Platz. Vor dem alten Holzkreuz, in das eine Nachbildung des Gnadenbildes eingelassen ist, steht der 1930 erneuerte Altar mit einem Strahlenkranz, in dessen Mitte ein Schrein das Gnadenbild verwahrt. Bei großen Wallfahrten wird es in die Kirche übertragen. Die Marienstatuette (gebrannter Ton, 7,5 cm) vom Typ der Himmelskönigin ist eine Kopie des Gnadenbilds von „Notre Dame de Foy“ bei Dinant in Belgien. Während die Bedeutung des Urbilds aus Foy zurückging, vollzog sich eine Umorientierung auf das aktuellere Gnadenbild von S. Die Wandbilder der Gnadenkapelle, denen ältere vorausgingen, malte 1865 F. X. Kolb. Sie zeigen an der Vorderwand die Übertragung des hl. Hauses nach Loreto, an der Rückwand Christus am Kreuz mit Maria, Johannes u. den hll. Frauen, an der rechten Seitenwand Mariae Verkündigung, Opferung, Vermählung und die Geburt Christi, an der linken Seitenwand die Anbetung durch die Weisen, die Flucht nach Ägypten, die Hochzeit zu Kana, die Erscheinung des Auferstandenen vor Maria und den Tod des hl. Joseph. Die linke Seitenkapelle ist Joachim u. Anna geweiht, die rechte Johannes dem Täufer, Zacharias u. Elisabeth. Die Altarbilder malte J. M. Schmidtner 1684. Das Vesperbild in der Johanneskapelle ist um 1420/30 entstanden.
4. Bau- u. Wallfahrtsgeschichte. Nach der Überlieferung stellten die Patres Th. Antreiter u. J. Heffelin SJ 1638 auf dem Schönenberg ein Holzkreuz auf, in das sie eine tönerne Marienstatue einsetzten. Nach den Maßen des Hauses von Loreto steckten sie den Umriß einer Kapelle ab, die 1639 erst aus Holz, dann aus Stein errichtet und ab 1644 mit zwei Seitenkapellen erweitert wurde. Zur Weihe der Steinkapelle stiftete H. v. Knöringen, Bischof von Augsburg, 1639 die Holzstatue einer Lauretana, die seit 1974 an der Nordwand des ersten Seitenaltarraums hängt und heute noch neben dem Gnadenbild als Kultbild verehrt wird. Für den jährl. Gedächtnistag ihrer Weihe stiftete Papst Clemens IX. einen vollkommenen Ablaß. Ab 1661 wurde täglich eine Hl. Messe gefeiert. Die noch vor 1661 gegründete Jesus- u. Josephsbruderschaft vergrößerte sich ständig. Fürstpropst J. Chr. Adelmann v. Adelmannsfelden ordnete ab 1681 das tägliche Beten der Lauretan. Litanei an. Bei einem Unwetter 1681 regte Ph. -> Jeningen den Fürstpropst zu dem Gelöbnis an, eine Kirche zu bauen, wenn Ellwangen verschont bliebe. Den Grundstein legte 1682 J. Chr. v. Freyberg, Bischof von Augsburg. 1706 war der
Bau vollendet. Der Chor umfing die alte lauretan. Kapelle. Aus der Fürstpropstei Ellwangen, aber auch aus Bayern, Tirol, den Rheinlanden u. Böhmen kamen die Gläubigen. Nach dem Brand von 1709 wurde die Kirche wieder aufgebaut und 1729 neu geweiht. Ab 1749 wurde das Priesterseminar errichtet, das heutige Exerzitienhaus, dem 1959 ein weiterer Bau zugefügt wurde.
Die Wallfahrt blühte im 18. Jh. auf, bis 1773 der Jesuitenorden verboten wurde und damit auch seine seit 1685 bestehende Niederlassung in Ellwangen sowie 1797 das Priesterseminar aufgehoben wurden. Die Säkularisation 1803 setzte der Fürstpropstei ein Ende, sie fiel an Württemberg. Kurzen Auftrieb brachte die 1812 eingerichtete kath.-theol. Fakultät in Ellwangen, die sich 1817 der Universität Tübingen angliederte, sowie das Generalvikariat mit dem wiedereröffneten Priesterseminar auf dem S., die aber beide nach —> Rottenburg verlegt wurden. Die Wallfahrt verfiel, die Kirche stand 1819 kurz vor dem Abbruch. Erst als 1833 die Pfarrei S. gegründet wurde, betreute wieder ein Seelsorger die Kirche. Das frühere Priesterseminar wurde zum Pfarrhaus. 1919 ließen sich die Redemptoristen auf dem S. nieder und übernahmen die Wallfahrtsbetreuung u. Leitung des 1912 eingerichteten Exerzitienhauses, seit 1940 auch die Pfarrei. Das Exerzitienhaus, heute »Religiöse Bildungs- und Tagungsstätte der Diözese Rottenburg-Stuttgart«, ist gleichermaßen offen für große Kurse und kleine Gruppen, für Jugend und Senioren, für die Schulung verantwortlicher Laien in priesterlosen Gemeinden, für kreatives Werken und Meditation.
Hauptwallfahrtszeiten sind die Fastenzeit, der Mai und —> Frauendreißiger. Die festgelegten Tage tradit. Wallfahrten umliegender Pfarrgemeinden zwischen Mai u. Oktober gehen häufig auf den Anfang der Wallfahrt zurück. Seit 1945 findet jährlich eine Wallfahrt der Stadt Ellwangen als Dank für den Schutz im Zweiten Weltkrieg statt. Desgleichen kommen seit dieser Zeit alljährlich die orth. Griechen in der Bundesrepublik Deutschland auf dem S. zusammen; die jährliche Vertriebenenwallfahrt war über Jahrzehnte eine große Jahresveranstaltung, bei denen prominente Redner sprachen (K. Adenauer, H. Kohl u.a.).

Horst Schopf (1994)

Literatur: Von Anfang und Ursprung deß lauretanischen Kirchleins unser lieben Frawen auff dem S. bey Ellwang, Augsburg 1662. — T. Antreiter u. J. Heffelin, Marian. Ehren- u. Gnadentempel […], Ellwangen 1738, 1799. — Beschreibung des Oberamts Ellwangen, Stuttgart 1886, 424-430, 526-531. — Müller 541. — A. Birlinger, Aus Schwaben I, 1874, 303 f. — Schreiber W 435. — Welser 153. — J. Eger, Kl. Pilgerführer durch die Wallfahrtskirche Schönenberg, 1956 (2.). — J. Fischer, Ellwangen, die gute Stadt, 1961. — H. Dünninger, Unsere Liebe Frau vom S. bei Ellwangen und Notre Dame de Foy, In: Ellwangen 764-1964, FS zur 1200-Jahrfeier II, 1964, 833-840. — Ausst.-Kat, 1200 Jahre Ellwangen, Stuttgart 1964. — F. Dieth, Die Vorarlberger Barockbaumeister, 1967. — S. v. Meinecke-Berg, Die Fresken von Melchior Steidl (Diss.), München 1970. — G. Wiedenmann u. L. Mangold, Geschichte u. Beschreibung der Schönenbergkirche, In: Ellwangen, Jahrbuch 24 (1971/72) 67-134. — Wallfahrtskirche Schönenberg, in: : H. Brunner u.a., Baden-Württemberg. Kunstdenkmäler u. Museen, Stuttgart 1985, S. 145–149. – Wallfahrt Schönenberg 1638-1988, FS zum 350. Jubiläum, 1988. — A. Sirch, Komm mit auf den S., Stationen durch die Geschichte von Wallfahrt u. Kirche, 1992. — Andachtsbildchen: München, Bayer. Nat. Mus., Sammlung Kriss 2874/84, 4981 (Hauchbildchen). – Alfred Sirch, Bildsymbole in der Marienkirche auf dem Schönenberg, Ellwangen 1997. – H. Schnell, Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau auf dem Schönenberg, Ellwangen. Regensburg 2002 (9.). – Yvonne Northemann, Die Santa Casa auf dem Schönenberg bei Ellwangen. Gnadenerfahrung u. Katechese. In: INSITU, Jg. 15 (2023), Heft 1, S. 85–98.

Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schönenbergkirche
https://zuunsererliebenfrau-schoenenberg.drs.de
https://www.redemptoristen.com/schoenenberg
https://www.haus-schoenenberg.de/willkommen/geschichte/wallfahrtskirche-schoenenberg.html
https://www.drs.de/schoenenberg.html

(H. Schopf / A. Dittrich 19.12.2024)