Genazzano (ital. Marienwallfahrtsort)
Art. „Genazzano“ von Edith Chorherr, Marienlexikon II (1989) 613 f., ergänzt von A. Dittrich (2025).
Genazzano – auf einer Anhöhe gelegenes Städtchen im Latium (Gemeinde der Metropolitanstadt Rom), 58 km östl. von Rom, im Süden der Monti Prenestini, besaß bereits im 13. Jh. eine der Madonna del Buon Consiglio geweihte Kirche, die der Feudalherr des Ortes aus dem Hause der Colonna 1356 den Augustinereremiten übergab. Ein Jh. später bemühte sich die sel. Petruccia, eine Terziarin des Ordens, um einen Neubau. Er war noch nicht vollendet, als am 25.4.1467 zur Vesperzeit „ein liebliches Bild“ der GM mit dem Jesuskind heranschwebte und sich auf einem Mauervorsprung im Neubau niederließ (so die Legende). Das 45 x 40 cm große Fresko befindet sich im linken Seitenschiff des heutigen, 1621-29 errichteten Gotteshauses. Zunächst wegen seiner wundersamen Erscheinung als »Maria del Paradiso — Maria degli Angeli« bezeichnet, übernahm man bald das Patrozinium der Kirche und nannte das Gnadenbild »Madre del Buon Consiglio«. Später bildete sich die Legende, es sei aus Scutari (Shkodra) in Albanien übertragen worden (ähnlich wie bei der Übertragung des Hauses Mariens nach Loreto).
Zeitgenöss. Quellen berichten, dass nach jenem Datum ein großer Pilgerzustrom mit vielen Wundern einsetzte. Fra Ambrosio aus Cori in Latium, 1467 Provinzial der Augustiner und später ihr General, erzählt in einer Verteidigungsschrift des Ordens (Rom 1481) u.a.: »Ein Mariengnadenbild erschien wunderbar auf der Wand der von der sel. Petruccia begonnenen Kirche in Genazzano. Um es zu sehen, kam ganz Italien derart in Bewegung, daß Dörfer und Städte prozessionsweise hinzogen. Es geschahen Zeichen und Wunder, und unerklärlich viele Gaben wurden gespendet« (Addeo 7-8). Das Diario di Nepi verzeichnet so für 1467 Prozessionen nach G. am 8.7. und 16.9. Was die Wunder angeht, zählt ein altes Verzeichnis allein für die Zeit vom 27.4 bis 14.8.1467 nicht weniger als 161. Die beiden noch vorhandenen Inschriften gehören nach dem Urteil von Fachleuten noch dem 15. Jh. an; am Kirchenportal: »Im Jahre 1467 n. Chr. Geburt, am Feste des hl. Markus, zur Vesperzeit, schaute das Bild (figura) der Gottesmutter, die ihr in der Marmorkapelle des Heiligtums verehrt, aus der Höhe herab (ex alto prospexit; eine Anspielung auf Ps 84,12; Addeo 26); an der Front der Gnadenkapelle: »Dies Bild erschien wunderbar (divinitus) am 25. April 1467«.
Auch in dem von Leo XIII. Ende 1884 gutgeheißenen Offizium wird von einer »wunderbaren Erscheinung« dieses Bildes gesprochen. Als Festtag bleibt für G. der 25.4., an dem alljährlich ein sehr charakteristisches Volksfest zum Gedenken der »Ankunft der Madonna« stattfindet; außerhalb von G. wird das Fest am folgenden Tage gefeiert. Leo XIII., der aus Carpineto im unteren Latium stammte, fügte der Lauretanischen Litanei die Anrufung »Mater Boni Consilii, o.p.n« bei und verlieh der Wallfahrtskirche die Privilegien einer Basilica minor (1903). 2003 erhielt Genazzano als Wallfahrtsort ein Ablassprivileg (20.3.2003).
Mit Genazzano verbindet sich die Verehrung des Gnadenbildes in aller Welt, befördert durch die Augustiner und Franziskaner. Für 1727 ist ein regionaler Festtag „Unsere Liebe Frau vom Guten Rat“ bezeugt; 1789 erlaubte Papst Pius VI. dem Augustinerorden in Gänze, diesen Festtag zu begehen. 1884 ließ Papst Leo XIII. für die Weltkirche den Gedenktag am 26. April festschreiben, der im Rahmen der Liturgie-Reform (1969) allerdings wieder so herabgestuft worden ist, dass er nur noch regional (z. B. im Bistum Essen) oder bei einigen Orden (Franziskaner, Augustiner) begangen wird.
Vor Leo XIII. waren schon die Päpste Urban VIII. (1630) und Pius IX. (1864) nach G. gepilgert, später auch Johannes XXIII. (1962) und Johannes Paul II. (1993). Am 10. Mai 2025 besuchte der neugewählte Papst Leo XIV., selbst Augustiner, die Gnadenkapelle; öffentlich äußerte er, dass er Vertrauen in die „Mutter vom Guten Rat“ habe, seine „Begleiterin voll Licht und Weisheit“ (VaticanNews.va, 10.5.25).
Einzelheiten über die Verehrung der Madonna von G. finden sich bei Kahl und Campana. Naturgemäß haben sich die Augustinereremiten, die treuen Hüter dieses Gebildes, um die Verbreitung dieser Andacht besonders bemüht. Gegenwärtig (1989) blüht sie besonders in den Ordenskirchen von Dublin und Gent.
Das Gnadenbild wird kunstgeschichtlich unterschiedlich eingeordnet: Nach Aurenhammer (HO) wäre es ein Erzeugnis der umbrisch-sienesischen Kunst des 14. Jh.s; nach Beissel (W 89) wäre es erst um die Mitte des 15. Jh.s in Italien entstanden; Redig de Campos schreibt es Gentile da Fabriano (1370-1427) zu. Wer meint, es sei in Albanien schon früher auf eine Kirchenwand gemalt worden, darf darauf hinweisen, wie häufig gerade in der östlichen Kunst das Motiv der Eleusa, der GM mit dem sich zärtlich an ihre Wange anschmiegenden Jesuskind ist.
Hinter einer dünnen Freskoschicht befindet sich ein Hohlraum, wie man bereits im 17. Jh. feststellte. Die Augustiner erwogen schon 1621 ernstlich, ob sie das Bild auf den Hochaltar der neu zu erbauenden Kirche übertragen sollten. Untersuchungen des Wandbildes fanden 1682 anlässlich der ersten Krönung des Gnadenbildes statt, 1747 als es kopiert werden sollte, danach 1936, zuletzt bei einer fachmännischen Restaurierung 1957-59.
Literatur: Ambrosius Coranus, In defensorium ordinis eremitarum S. Augustini responsirum ad male dicta canonicorum regularium … s. l. et a. Georg Heroldt (Rom 1481) = Hain 5684. — A. M.de Orgio, Istoriche notizie…, Roma 1748, 3/1790 (dokumentiert Codex Bombacinus, ältestes Wunderverzeichnis, dessen Original 1798 verloren ging). — G. F. Dillon, The Virgin Mother of Good Counsel, Roma 1884 (Reprint 2017). — George F. Dillon, Unsere Liebe Frau vom guten Rathe. Eine kurze Geschichte u. Beschreibung des uralten Heiligthums in Genazzano u. der wunderbaren Uebertragung des Gnadenbildes im Jahre 1467. Nach dem engl. Werke des G. F. Dillon (1884). Dt. bearb. von R. v. Baumbach, Einsiedeln 1887. – K. Möller, Leben u. Briefe von Joh. Th. Laurent, Trier 1887-89. — Alfonso Maria da Gesu, La Santa Casa venerata a Loreto e la Madonna del Buon Consiglio a G., Fermo 1905. — E. Campana, Maria nel culto cattolico II, 1933, 62-85. — A. F. Addeo, Apparitionis Imaginis BMV a Bono Consilio documenta, 1947. — B. Riccardi, Guida del Santuario di G., 1953. — E. Winterthaler, Maria vom Guten Rat von Genazzano, Konstanz-Fribourg 1953. – F. Kahl, (Andachtsbüchlein), Prag o. J. — Salvini 300-307. — Aurenhammer 110 f. — I mille santuari mariani d’Italia illustrati, 1960, 493-495. – RDK IV 1304 f. – B. Möckerhoff, Maria vom Guten Rat, in: Marienlexikon III (1990) 64 (Lit.). – M. Pörnbacher, Die Muttergottes vom guten Rat. Das Hochaltarbild von St. Georg auf dem Auerberg u. die Verehrung des Gnadenbildes v. Genazzano in Bayern, Tirol u. den angrenzenden Gegenden, in: Der Welf 10 (2008/09) S. 91-138. – Amadeo Erano, Da Napoleone a Leone XIII: Documenti Storici sul Santuario di Genazzano, Genazzano 2010 (Edizioni Madre del Buon Consiglio).
Links:
https://www.madredelbuonconsiglio.it (Homepage des Santuario in Genazzano)
https://www.augustiner.at/ordensheilige/hl-maria-mutter-vom-guten-rat/ (Messformular mit Erläuterung)
https://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_Mutter_vom_Guten_Rat
https://it.wikipedia.org/wiki/Santuario_della_Madre_del_Buon_Consiglio
Edith Chorherr 1989 (A. Dittrich 2025)